Der Landesbauernrat hat am vergangenen Freitag über die aktuelle Situation zum Thema Großraubwild diskutiert. Foto: Ivo Corra

Urteil macht vieles komplizierter

Das viel diskutierte EuGH-Urteil zur Wolfsjagd ändert für Südtirol nichts Wesentliches, macht den Weg zu einem legalen Abschuss aber noch umständlicher. Der Landesbauernrat hat in seiner jüngsten Sitzung darüber diskutiert – und zwei weitere Entscheidungen wohlwollend zur Kenntnis genommen.

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SBB

Zur Erinnerung: Nachdem ein Abschussbescheid im Jahr 2022 von Umweltorganisationen beeinsprucht worden war, hatte das Landesverwaltungsgericht Tirol dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) im Herbst 2022 mehrere Rechtsfragen zur Auslegung der derzeit geltenden FFH-Richtlinie für eine Vorabentscheidung übermittelt. Das Urteil des EuGH wurde kürzlich veröffentlicht, der „Südtiroler Landwirt“ hat darüber berichtet (Ausgabe Nr. 13 vom 19. Juli 2024, S. 24). In der Sitzung des Landesbauernrates von vergangener Woche hat Bauernbund-Direktor Siegfried Rinner über die Folgen berichtet, die dieses Urteil für den Umgang mit dem Wolf in Italien bzw. in Südtirol mit sich bringt. Sein Fazit: „Das Urteil bringt uns nicht weiter, aber es wirft uns auch nicht wesentlich zurück. Das aktuelle Landesgesetz zu diesem Thema ist nach wie vor anwendbar. Das Urteil zeigt aber, dass wir noch mehr darum bemüht sein müssen, einen Antrag für die mögliche Entnahme eines Wolfes noch besser zu begründen.“
Auf internationaler Ebene sehe es derzeit nicht danach aus, dass sich in Sachen Bestandsregulierung beim Wolf etwas bewegen würde. „Nach aktuellem Stand steht sogar die Senkung des Schutzstatus für den Wolf in den Sternen, weil mehrere größere Mitgliedstaaten wie Deutschland und Polen sich gegen eine solche Senkung aussprechen und damit die nötige qualifizierte Mehrheit bei der Abstimmung in weite Ferne rückt“, berichtete Rinner. Zum EuGH-Urteil verwies Rinner nochmals im Detail auf die einzelnen Voraussetzungen, die für eine legale Entnahme eines Wolfes erfüllt sein müssen: der günstige Erhaltungszustand, ernste Schäden und das Nicht-Vorhandensein von Alternativen zum  Abschuss. „Zwar sollte zumindest der günstige Erhaltungszustand auf lokaler Ebene kein Problem sein, weil Südtirol mit dem Trentino als Einheit gesehen wird, aber allein die Tatsache, dass der EuGH auf dieser lokalen Ebene beharrt, ist wider die Natur des Wolfes, der bekanntlich keine Landesgrenzen kennt.“ Beim Nachweis ernster Schäden durch den Wolf dürfen laut Urteil nur Schäden berücksichtigt werden, die unmittelbar auf den Wolf zurückzuführen sind, also nur die unmittelbaren Risse. Beim Nachweis, dass es keine Alternativen zum Abschuss eines Wolfes gibt, setzt das Urteil ebenfalls voraus, dass eine weitestgehende Anpassung der Weidewirtschaft an die Präsenz des Wolfes möglich sein muss.
In die gleiche Kerbe schlugen übrigens auch einige Mitarbeiter des staatlichen Umweltinstitutes ISPRA, die vor wenigen Wochen in Südtirol zu Gast waren und sich ein Bild der Lage auf mehreren heimischen Almen gemacht haben. Bauernbund-Landesobmann Daniel Gasser berichtete: „Wir haben versucht, den ISPRA-Vertretern vor Ort aufzuzeigen, dass die Almwirtschaft hier bei uns völlig anders funktioniert als im Rest Italiens und dass auch die Rahmenbedingungen nicht vergleichbar sind. Gefruchtet haben diese Bemühungen auf den ersten Blick nicht, aber wir geben die Hoffnung nicht auf, dass wir mit dieser Einladung dennoch ein langsames Umdenken bewirkt haben.“ Der Bauernbund werde sich auf jeden Fall weiterhin dafür einsetzen, dass die Entnahme von Wölfen bald ermöglicht werde, auch wenn der juristische Aufwand dafür enorm sei. Auch Landesrat Luis Walcher bekräftigte, dass im Hintergrund viel Überzeugungsarbeit geleistet werde, die Hoffnung, dass es in den kommenden Monaten zu einem ersten legalen Abschuss eines Wolfes kommen könnte, bleibe bestehen.

Borkenkäfer: Neuregelung der Schadholzprämien in Sicht
Landesrat Luis Walcher war es auch, der dem Landesbauernrat eine Neuorganisation der Schadholzprämie für Borkenkäfer-Holz in Aussicht stellte: „Bisher hat die Tatsache, dass das im Herbst und Winter angefallene Schadholz bis Ende April aus dem Wald geschafft werden musste, immer für Kritik gesorgt, weil bis Ende April viele Forstwege noch gar nicht befahrbar und die Wälder tief verschneit waren. Nun denken wir darüber nach, aus den beiden Terminen Ende April und Ende des Jahres einen Termin zu machen, sodass man für die Schadholzbringung über das gesamte Kalenderjahr bis zum Frühjahr des kommenden Jahres ansuchen  kann.“ Details dazu müssen noch geklärt werden. Mit dem Nachtragshaushalt, dessen Genehmigung durch den Südtiroler Landtag bei Redaktionsschluss noch ausstand, sollte es laut Landesrat Walcher übrigens gelingen, alle alten Förderansuchen zu Forst- und Almwegen, die zum Teil seit mehreren Jahren ausständig sind, abzuarbeiten und die entsprechenden Fördergelder auszuzahlen. Dasselbe gilt für Förderansuchen zu Investitionen in Wirtschaftsgebäude, Wohnhäuser, Urlaub auf dem Bauernhof und landwirtschaftliche Maschinen. Auch über die Inhalte des Nachtragshaushaltes wird der „Südtiroler Landwirt“ in nächster Zeit ausführlich berichten.

Bernhard Christanell

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