Intensives Landwirtschaftsjahr 2024
Kühle Temperaturen und viel Regen im Frühjahr, -sommer und Herbst sorgten für ein arbeitsintensives Landwirtschaftsjahr. Trotz vieler Herausforderungen blicken die sechs Bauernbund-Bezirksobmänner aber auf eine passable Saison 2024 zurück.
Der „Südtiroler Landwirt“ hat sich wie jedes Jahr in den Bezirken umgehört und die sechs Bauernbund-Bezirksobmänner nach ihrem Eindruck zum Landwirtschaftsjahr 2024 befragt. Ihr Resümee: Viel Regen und deshalb ein für alle Sektoren besonders anstrengendes Jahr, das insgesamt aber doch gut gemeistert werden konnte. Den Auftakt des Rundumblicks macht diesmal der Vinschau …
Joachim Weiss, Vinschgau
Für den Bezirk Vinschgau war 2024 ein besonderes Jahr, weil es einen Stabwechsel im Bezirksbüro Schlanders gegeben hat: Julia Frei ist die neue Bezirksleiterin. „Johann Wallnöfer und seine Nachfolgerin haben die Übergabe gut vorbereitet, sodass sie praktisch reibungs- und nahtlos vonstattenging“, lobt Joachim Weiss, neuer Bezirksobmann des Vinschgaus. In den nächsten Monaten wird man sich vor allem auf die Gemeinderatswahlen konzentrieren. Die Zahl der bäuerlichen Gemeinderätinnen und -räte will man zumindest halten, lautet das Ziel. Denn es wird in der nächsten Amtsperiode wichtige Weichenstellungen geben: „Bäuerinnen und Bauern sollen da mitreden und mitentscheiden“, sagt Weiss. Eine fordernde Saison gab es in der Landwirtschaft: Zu viel Regen brachte viele Schwierigkeiten. Im Obstbau bekam man dadurch Probleme mit Pilzkrankheiten. Trotzdem konnte eine quantitativ und qualitativ gute Ernte eingefahren werden. Auch die Weinbäuerinnen und -bauern waren gefordert: Falscher und Echter Mehltau verlangten viel Einsatz, letztendlich konnte aber gute Qualität bei etwas geringerer Gradation eingekellert werden. Lediglich die Menge fehlt, je nach Sorte bis zu 30 Prozent weniger als im Durchschnitt.
Spätfröste im Frühling richteten bei Sonderkulturen große Schäden an: So gab es besonders bei den Marillen große Ernteeinbußen, bei der Vinschger Marille fehlten sogar 90 Prozent zur Vollernte. Auch bei den Kirschen hat es viel Fruchtfall gegeben, die Erntemengen lagen aber im durchschnittlichen Bereich. Wie überall im Land war der erste Schnitt im Vinschgau nur mit deutlicher Verspätung einzubringen. Dadurch wurden zwar ordentliche Mengen geerntet, die Qualität war aber schlecht. Beim zweiten Schnitt fehlte die Menge, und beim dritten kam es wieder zu Verzögerungen, manche Wiese bleib deshalb ungemäht oder wurde siliert.
Eine gute Seite hatte der regnerische Sommer: Für den Borkenkäfer war es ein schlechtes Jahr und damit gut für den Wald, erklärt Weiss. Weniger erfreulich sei die Bilanz beim Thema Wolf: Es hat im Oberland mehrere Risse gegeben, ein Abschussdekret wurde vom Verwaltungsgericht gebremst. „Das sorgt natürlich für Frust bei unseren Bäuerinnen und Bauern, zumal bei unseren direkten Nachbarn in Österreich und der Schweiz Wölfe bereits entnommen werden können“, erklärt Weiss.
Hannes Dosser, Burggrafenamt
Im Bezirk Burggrafenamt war 2024 sehr herausfordernd – mit einem trockenen Winter, einem nassen Frühjahr, einem späten, aber heißen Sommer und einem regnerischen Herbst. Bezirksobmann Hannes Dosser ist dennoch froh, dass die Bäuerinnen und Bauern alle Schwierigkeiten gut gemeistert haben. Für den Apfelanbau war es am Ende eine „normale“ Ernte, trotz des vielen Regens haben Schädlinge und Krankheiten sich im Rahmen gehalten. Im Weinbau fehlte einiges an Menge, ein Teil des Verlustes ist auch auf den Echten und Falschen Mehltau zurückzuführen, die Zuckergradation lag teils unter den Werten der vergangenen Jahre. Im Futterbau war etwas Glück notwendig, um eine einigermaßen gute Ernte einzubringen. Wer dieses Glück nicht hatte, der hatte im ersten Schnitt mit einer mäßigen Qualität und im zweiten Schnitt mit einer geringen Menge zu kämpfen. Der dritte Schnitt fiel dann vielerorts ganz aus. Im Wald ist der Borkenkäfer zwar auf dem Rückzug, die Holzpreise sind aber nach wie vor nicht zufriedenstellend. Politisch darf sich der Bezirk Burggrafenamt über stabile Betriebszahlen freuen, auch in den Tallagen gibt es aber vermehrt Felder, die nicht mehr bearbeitet werden. Bei der Bahntrasse Meran–Bozen erkennt Dosser Fortschritte, das Ziel sei aber noch nicht erreicht. „Wie man bei der Planung solcher Projekte richtig vorgeht, zeigt das Beispiel der Umfahrung von Partschins. Hier wurde zuerst mit den Grundeigentümern eine Lösung gesucht, erst dann wurde im Gemeinderat darüber diskutiert“, erklärt Dosser. Schließlich freut sich Dosser auch noch, dass das Landwirtschaftsjahr ohne größere Unfälle abgelaufen ist, „denn jeder Unfall bringt wieder neue strengere Auflagen und Kurse mit sich“.
Oswald Karbon, Bozen
Wenig überraschend blickt auch der Bezirk Bozen auf ein schwieriges Jahr zurück. Bezirksobmann Oswald Karbon erinnert an das nasse Frühjahr, das vor allem im Weinbau zu Mengeneinbußen geführt hat, die Qualität der Trauben war aber durchaus zufriedenstellend. Im Obstbau war das Jahr vor allem arbeitstechnisch sehr schwierig, weil viele Obstwiesen wegen der vielen Niederschläge nicht befahrbar waren. „Davon abgesehen wird der Pflanzenschutz im Obstbau immer schwieriger, weil immer weniger Wirkstoffe verfügbar sind“, weiß Karbon. Immerhin haben die Preise für Äpfel im Laufe des Jahres etwas angezogen und mittlerweile ein angemessenes Niveau erreicht. Gemischt fällt die Bilanz der Futterernte aus: „Beim ersten Schnitt war die Menge hoch, die Qualität aber schlecht. Vor allem Betriebe mit besonders steilen Flächen hatten heuer mit Schwierigkeiten zu kämpfen. Jene in günstigeren Lagen konnten dank maschineller Unterstützung einiges retten“, berichtet Karbon. Der hohe Milchpreis vom Jahr 2023 soll laut Karbon großteils auch für 2024 gehalten werden können.
Günstig war das nasskühle Wetter im Frühjahr hingegen für den Kampf gegen den Borkenkäfer. Die Schadholzmenge ging um bis zu zwei Drittel zurück. Auch der Holzpreis konnte sich bis zum Herbst erholen. Sehr positiv verlaufen sind 2024 die Viehversteigerungen, und zwar in allen Bereichen. Wenig angetan ist der Bezirksobmann von der Kommunikation rund um den Ausbau der Bahnlinie Bozen–Meran. Im Juni habe es ein Treffen mit den Grundbesitzern gegeben, „seitdem haben wir nichts mehr gehört“, beklagt Karbon. Für Unmut vor allem bei den Talbauern sorgen die Konzessionsgebühren für Beregnungswasser, wobei vielen vor allem die Tatsache sauer aufstößt, dass sie einerseits fürs Wasser zahlen und andererseits die Entwässerungsgräben instandhalten sollen.
Reinhard Dissertori, Unterland
Der Bezirk Unterland hat 2024 Zuwachs bekommen. Obmann Reinhard Dissertori freut sich darüber, dass die Kalterer Bäuerinnen und Bauern nun Mitglieder seines Bezirks sind. Das war der Wunsch der Ortsgruppe, nun sei die Sache unter Dach und Fach. Ein Dauerthema im kleinsten Bauernbund-Bezirk ist inzwischen die Zulaufstrecke des Brennerbasistunnels: „Wir sind im Verzug“, mahnt Dissertori, nun müsse die Politik helfen. Froh äußert sich der Bezirksobmann über den Ausgang der Wahlen zum Europaparlament. Und nun beschäftige man sich schon intensiv mit den Gemeinderatswahlen und der Kandidatenfindung: Denn auch auf Gemeindeebene gebe es viele Bereiche, die in den nächsten fünf Jahren erarbeitet und entschieden werden müssen. „Bei diesen Diskussionen dürfen Bäuerinnen und Bauern auf keinen Fall fehlen“, sagt Dissertori.
Zufrieden ist der Bezirksobmann mit den Auszahlungspreisen für die Apfelernte 2023. Entsprechend sei auch die Stimmung unter den Obstbäuerinnen und -bauern wieder besser. Weil Europa in diesem Jahr insgesamt weniger Äpfel erntet, während man in Südtirol von einer zufriedenstellenden Ernte ausgehen kann, sei man laut Dissertori optimistisch. Ansonsten werde der Druck aber nicht weniger: Etwas überrumpelt sei der Bezirk vom Auftreten der Krankheiten Glomerella Leaf Spot und Apple Bitter Rot worden. Insgesamt sei bedenklich, dass fast jedes Jahr neue Schaderreger und Schädlinge dazukämen, während das Spektrum an Wirkstoffen und Mitteln laufend zurückginge. Besonders in fordernden Jahren wie 2024 sei der Pflanzenschutz eine echte Herausforderung. Die Weinbaubetriebe im Unterland konnten bei den Preisen in etwa an das Vorjahr anknüpfen. Man sei zufrieden, auch wenn die Zeichen insgesamt nicht gut stünden: „Bei global rückläufigem Konsum und Absatz macht sich nun die jahrzehntelange Arbeit der Südtiroler Genossenschaften bezahlt“, erklärt Disserori. Auch die diesjährige Erntemenge sei im Unterland nicht so stark in Mitleidenschaft gezogen worden wie in anderen Bezirken, allerdings müsse man auch hier zwischen zehn und 15 Prozent an Minderernte in Kauf nehmen, und zwar eher in höheren Lagen und bei den schweren Rotweinen. Die Milchwirtschaft freut sich über gute Preise, die an jene des Vorjahres anknüpfen. Die Futterbringung war wie in allen Bezirken ein Problem, die Futterqualität schlecht und die Milchmenge entsprechend.
Matthias Braunhofer, Eisacktal-Wipptal
Auch im Bezirk Eisacktal-Wipptal war die außergewöhnlich regnerische Witterung für nahezu alle Bereiche der Landwirtschaft eine Herausforderung: Die Futterqualität im Grünland hat besonders gelitten, was wiederum die Produktivität der Tiere beeinträchtigt. Auch im Obstbau haben die erschwerten Produktions- und Erntebedingungen viel Einsatz von Seiten der Bäuerinnen und Bauern verlangt. Matthias Braunhofer, Bauernbund-Bezirksobmann im Eisacktal-Wipptal, erklärt: „Dennoch konnten unsere Obstbauern gute Ergebnisse erzielen, auch wenn die Erträge vielerorts unter den Erwartungen lagen.“ Im Weinbau werde im Eisacktal aber ein qualitativ hochwertiger Jahrgang erwartet. Der Borkenkäfer habe auch in diesem Jahr großen Schaden angerichtet. „Die Aufarbeitung des befallenen Holzes und die Wiederaufforstung stellen für viele Waldbesitzer eine enorme Belastung dar“, erklärt Braunhofer. Auch das Thema Sicherheit spricht der Bezirksobmann an: „Das Jahr 2024 hat uns erneut vor Augen geführt, wie anspruchsvoll und mitunter gefährlich unsere Arbeit sein kann.“ Er mahnt, der Sicherheit bei den Arbeiten am Hof und auf den landwirtschaftlichen Flächen höchste Priorität einzuräumen.
Es gebe aber auch durchwegs positive Tendenzen: So habe sich die Direktvermarktung in diesem schwierigen Jahr einmal mehr als stabiler Faktor erwiesen. „Die Nachfrage nach regionalen Produkten ist nach wie vor hoch“, erklärt der Bezirksobmann, der auch dem Bereich Urlaub auf dem Bauernhof eine gute Saison 2024 bescheinigt.
Manfred Vallazza, Pustertal
Als Letzter der Bezirksobmänner spricht auch Manfred Vallazza von einem „verrückten und durch die Witterung außergewöhnlichen Jahr“ 2024. Allerdings seien Bäuerinnen und Bauern gewohnt, sich anzupassen. Die Futterqualität beim ersten Schnitt war schlecht, die Menge gut. Die weiteren Schnitte waren qualitativ in Ordnung, aber „wegen der Witterung hat es in manchen Gegenden keinen zweiten bzw. dritten Schnitt gegeben“. Auch beim Kartoffel- und Maisanbau war der Pflanzenschutz schwierig und fordernd, die Erntemengen aber durchschnittlich und die Qualität in Ordnung. „Für die Milchwirtschaft war 2024 ein sehr gutes Jahr“, resümiert der Pusterer Bezirksobmann. Die Produktionskosten seien wieder auf normalem Niveau und die Auszahlungspreise gestiegen. Sorgen bereiten ihm die hohen Maschinenpreise und Reparaturkosten. „Beim Zuchtvieh sind die Preise angezogen“, erklärt Manfred Vallazza. Auch die Preise für Mast- und Schlachtvieh waren 2024 zufriedenstellend. Langsam normalisiere sich auch der Holzpreis wieder. Was den Borkenkäfer anlangt, sei der Höhepunkt überschritten, in vielen Gegenden des Puster- und vor allem im Gadertal habe er aber ein Bild der Verwüstung hinterlassen.
Der Zuerwerb durch Urlaub auf dem Bauernhof läuft im Pustertal sehr gut, die Buchungen seien das ganze Jahr über gut. Beim Thema Mountainbike-Wege sieht Vallazza aber Handlungsbedarf: Es braucht Gespräche mit Gemeinden, Touristikern, Forst und Grundeigentümern, um zu einer guten Lösung zu kommen.“ Was Vallazza belastet, ist der Verkauf landwirtschaftlicher Betriebe an Nicht-Ansässige. Deshalb habe der Bezirk Pustertal eine Überarbeitung des Höfegesetzes angeregt. Etwas Entspannung gebe es beim Thema Wolf: „Es ist aber noch ein langer Weg, bis ausreichend Wölfe entnommen werden können”, meint Vallazza. Im Zentrum der Bemühungen stünden nun die Gemeinderatswahlen im Mai: Man sei dabei, bäuerliche Kandidaten zu suchen, vor allem junge und weibliche. Und noch eine Baustelle gibt es im Bezirk Pustertal: Ende Februar wird Bezirksleiter Walter Hintner in Pension gehen und die Führung des Bezirksbüros mit 1. März an Andrea Steger übergeben, die bisher als Direktionsassistentin in der Zentrale in Bozen gearbeitet hat. „Das wird für uns ein großer Schritt, aber ich bin sicher, dass die beiden das gut meistern werden”, erklärt Vallazza.