Vorerst müssen Tierhalterinnen und Tierhalter nichts Konkretes unternehmen, was die vorgesehene Ausbildung betrifft. (Foto: Alfred Tschager)

„Tierhalterausbildung angepasst“

Um die Tiergesundheit und das Tierwohl zu stärken, sieht die EU eine neue Ausbildung für Tierhalter vor. Der „Südtiroler Landwirt“ hat mit Paolo Zambotto, dem Direktor des Landestierärztlichen Dienstes, darüber gesprochen.

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Im Interview mit Direktor Zambotto geht es unter anderem um die Fragen, wer von der Ausbildung ausgenommen ist, welche Erleichterungen für Südtirol erreicht werden konnten und wieso Bäuerinnen und Bauern vorerst einmal abwarten sollten.

Südtiroler Landwirt: Herr Zambotto, Sie haben sich zusammen mit dem Ressort Landwirtschaft, dem Beratungsring Berglandwirtschaft BRING, den Amtstierärzten des Südtiroler Sanitätsbetriebes, dem Südtiroler Bauernbund und weiteren Akteuren mit der neuen verpflichtenden Ausbildung und der abschließenden Prüfung für Tierhalter befasst. Was will die EU mit diesem Befähigungskurs sicherstellen?
Paolo Zambotto:
Der EU-Gesetzgeber hat festgelegt, dass Tierhalter und deren Angestellte, die sich um die Tiere kümmern, eine angemessene Aus- und Weiterbildung in der Tiergesundheit haben müssen. Damit hebt er die besondere Rolle der Bäuerinnen und Bauern beim Tierwohl hervor, denn das Wohl der Tiere hängt ganz wesentlich mit der Tiergesundheit zusammen. Die Idee der EU ist, dass die Bäuerinnen und Bauern ihre Tiere am besten kennen und wissen, wenn es ihnen nicht gut geht oder was ihnen besonders guttut. Mit der Tierhalterausbildung soll diese Kompetenz gestärkt werden – und EU-weit von Schweden bis Zypern.  

Welchen konkreten Nutzen bringt diese Ausbildung den Haltern von Nutztieren? Viele halten bekanntlich seit Jahrzehnten Tiere …
Wir lernen immer auch von den anderen. Die Ausbildung wird viele wertvolle Inputs zu den Wechselwirkungen zwischen Tiergesundheit, Tierernährung, Tierwohl und Umwelt sowie zu den Tierkrankheiten und deren Früherkennung vermitteln. Wenn ein Bauer beim Tier eine Krankheit frühzeitig erkennt, kann er vielleicht selbst zu dessen Genesung beitragen oder aber rechtzeitig den Tierarzt rufen. Damit lassen sich die allermeisten Krankheiten leicht heilen. Das ist nicht nur im Interesse des Tieres, sondern auch des Tierhalters, denn gesunde Tiere sind produktiver und verursachen weniger Ausgaben, z. B. für Behandlungen oder Medikamente. Besonders wichtig ist die Früherkennung von Seuchen. Die aktuelle Schweinepest-Epidemie in Italien würde es so nicht geben, wenn richtig hingeschaut und rasch gehandelt worden wäre.
Eng mit der Tiergesundheit verbunden ist das Tierwohl. Jede Tiergattung hat andere Bedürfnisse, damit es den Tieren gut geht. Auch das soll vermittelt werden. Mit dieser Ausbildung wird es so ähnlich sein wie mit dem Traktorführerschein: Nach den Kursen bestätigen die allermeisten Teilnehmer, dass sie etwas dazugelernt haben und dass sie etwas, was sie seit jeher getan haben, zukünftig mit dem Gelernten vervollständigen. Ein Perspektivenwechsel tut manchmal gut. Ich möchte aber klar unterstreichen, dass die allermeisten Bäuerinnen und Bauern bereits jetzt sehr auf das Tierwohl und die Tiergesundheit achten! Das eine oder andere kann aber immer verbessert werden.

Für wen ist die Ausbildung und die anschließende Prüfung verpflichtend?
Die Ausbildung richtet sich an die Bäuerinnen und Bauern und Angestellte, die am bäuerlichen Betrieb Rinder, Schafe und Ziegen, Pferde, Schweine, Geflügel, hirschartige Tiere, Kameliden, Hasentiere, Bienen und Tiere aus Aquakulturen halten. Auch jene, die für Dritte Tiere transportieren, brauchen bereits jetzt aufgrund anderer EU-Vorschriften eine Zusatzqualifikation. Vom Befähigungskurs ausgenommen sind sogenannte „familiäre Betriebe“. Sie halten Tiere ausschließlich für den Eigengebrauch. Die maximale Anzahl von Tieren liegt hier bei drei Rindern, neun Schafen und Ziegen, vier Schweinen, drei Pferden, fünfzig Hühnern oder zehn Bienenvölkern. Zudem gibt es für die einzelnen Tierarten zum Teil zusätzliche Vorgaben.

Gesetzliche Grundlage für die Tierhalterausbildung ist ein Dekret des römischen Gesundheitsministeriums vom Herbst vergangenen Jahres. Die italienische Regelung ist einigermaßen komplex. Südtirol ist es gelungen, diese Vorschriften unseren Gegebenheiten anzupassen. Was gilt für unsere heimischen Betriebe?
Ich war selbst bei den Verhandlungen in Rom dabei. Wir konnten die Tierhalteraus­bildung für kleinere Betriebe wesentlich vereinfachen. Wenn Bäuerinnen und Bauern am Hof weniger als 49 Rinder, 9 Pferde, ­Kameliden oder Hirsche, 39 Schweine, 49 Schafe und Ziegen, 499 Geflügeltiere, 19 Bienenstöcke oder 50 Tonnen Fisch und Ähnliches halten, wird die Kursdauer um 30 Prozent reduziert. Die zweite wesentliche Erleichterung betrifft Betriebe, die mehrere Tiergattungen halten. Sie müssen nicht einen Kurs für jede Gattung absolvieren, sondern nur einen Befähigungskurs für alle Tiere.

Viele Bäuerinnen und Bauern halten seit jeher Tiere am Hof. Wurde die Berufserfahrung mitberücksichtigt?
Die dritte Vereinfachung betrifft genau die Berufserfahrung. Sie war in den nationalen Bestimmungen überhaupt nicht vorgesehen, dafür aber in der EU-Verordnung. In unserem Vorschlag, der noch von der Landesregierung genehmigt werden muss, bekommt die Berufserfahrung einen besonderen Stellenwert: Wer mehr als zehn Jahre Berufserfahrung aufweisen kann – und das dürften sehr viele Bäuerinnen und Bauern sein –, wird direkt zur Abschlussprüfung zugelassen und braucht die Tierhalterausbildung nicht zu absolvieren. Die Prüfung selbst soll online oder in Präsenz im Rahmen einer Bauernbund-Ortsversammlung gemacht werden können. Wie lange ein Bauer schon Tiere hält, sieht jeder in der Tierdatenbank. Dort ist das Datum seiner Ersteintragung und damit der Beginn seiner Tierhaltung angegeben. Spezielle Regeln gelten für Jungbäuerinnen und -bauern, die innerhalb der letzten drei Jahre eine landwirtschaftliche Fachschule mit Erfolg abgeschlossen haben. Sie brauchen weder einen Kurs noch eine Prüfung, sofern die Inhalte des Tierhalterkurses unterrichtet wurden. Liegt der Abschluss einer Fachschule länger zurück, muss nur die Prüfung positiv bestanden werden, der Kurs ist nicht nötig.  
Für die Angestellten im Betrieb, die sich um die Tiere kümmern, ist ein kürzeres Modul vorgesehen. Wir, damit meine ich den Landestierärztlichen Dienst und die Amtstierärzte, das Ressort Landwirtschaft, den Beratungsring BRING sowie den Südtiroler Bauernbund mit der Weiterbildungsgenossenschaft, haben alle rechtlichen Möglichkeiten ausgeschöpft, um die Ausbildung möglichst kurz, praxisorientiert und nützlich zu gestalten.

Die Ausbildung für Tierhalter soll Wissen über die Tiergesundheit vermitteln und helfen, Seuchen vorzubeugen. Was sind die Inhalte der Ausbildung?
Der Kurs besteht aus den drei Modulen Tiergesundheit, Identifikation und Registrierung sowie Biosicherheit. Im Anschluss kann die Prüfung auch online absolviert werden. Sie entspricht den nationalen Bestimmungen und gilt italienweit. Die Ausbildung wird als Online-Kurs auf dem Lernportal des Südtiroler Bauernbundes oder in Präsenz angeboten. Das Prüfungsergebnis muss in die entsprechende nationale Plattform eingetragen werden, in die alle Behörden Einsicht haben werden. Der Beratungsring BRING arbeitet derzeit in Zusammenarbeit mit dem Landestierärztlichen Dienst und besonders dem Südtiroler Bauernbund und den Fachverbänden die Kursinhalte aus.
Für jene Bäuerinnen und Bauern, die nur die Prüfung ablegen müssen, soll es Vorträge für Bauernbund-Ortsgruppen geben. Im Anschluss können sie die Prüfungsfragen lösen. Die landwirtschaftlichen Schulen werden die Inhalte, sofern nötig, in das Schulprogramm integrieren.

Was ist vorgesehen, wenn ein Tierhalter die Ausbildung nicht absolviert oder die Prüfung nicht erfolgreich bestanden hat?
Die Regelung sieht Sanktionen vor...

Das gesamte Interview, samt Tabellen mit den Ausnahmen, finden Sie ab Freitag in der Ausgabe 18 des „Südtiroler Landwirt“ vom 11. Oktober ab Seite 23, online auf „meinSBB“ oder in der „Südtiroler Landwirt“-App.

Michael Deltedesco

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