Nicht immer ist auf den ersten Blick ersichtlich, wo die Grenze zwischen zwei landwirtschaftlichen Grundstücken verläuft.

Wenn zwei um Grenzen streiten …

Mit seinen Nachbarn gut auszukommen, ist ein Geschenk. Nicht immer funktioniert die Nachbarschaft ganz reibungslos. Was zum Beispiel passiert, wenn es zu Diskussionen wegen Grundstücksgrenzen kommt, klärt die Bauernbund-Rechtsabteilung in diesem Beitrag.

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Service Rechtsberatung

Aufmerksame Leserinnen und Leser kennen und schätzen die Rubrik „Frag den Bauernbund“: Einmal im Monat beantworten die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Bauernbund-Rechtsabteilung hier Fragen, die ihnen im täglichen Kontakt mit den Mitgliedern häufig begegnen. In dieser Ausgabe geht es um die Frage, was bei einer Grenzstreitigkeit zu beachten ist.

Mein Nachbar behauptet, ich würde die Grenze zwischen unseren Grundstücken missachten, indem ich mit meinen landwirtschaftlichen Maschinen regelmäßig in seinen Grund hineinfahre, und fordert mich zur Unterlassung auf. Allerdings ist die Grenze zwischen unseren Grundstücken nicht eindeutig durch einen Zaun oder Ähnliches gekennzeichnet. Kann er mir verbieten, die Wendemanöver mit meinen landwirtschaftlichen Maschinen wie bisher auszuführen?

Nachbarschaftsstreitigkeiten sind für alle Beteiligten unangenehm, kommen in der Praxis aber leider recht häufig vor. Wie so oft in der Rechtsberatung gibt es auf die einleitende Fragestellung keine für jeden Einzelfall pauschal geltende Antwort. Vielmehr hängt die Beantwortung von verschiedenen, hier in Folge beleuchteten Aspekten ab, die unbedingt berücksichtigt werden sollten, um aufwändigen und kostenspieleigen Gerichtsverfahren vorzubeugen.

Grenzbestimmung
Grundsätzlich hat der Eigentümer eines Grundstückes zweifellos das Recht, anderen den Zutritt zu seinem Grundstück zu verwehren. Im vorliegenden Fall scheint die Grenze zwischen den beiden benachbarten Grundstücken, den Angaben des Fragestellers zufolge, allerdings nicht eindeutig gekennzeichnet und somit nicht ersichtlich zu sein. Es muss also in erster Linie geklärt werden, ob eine Grenzüberschreitung überhaupt vorliegt. Wie aber wird die Grenze bestimmt, wenn kein Zaun oder sonstige Kennzeichen vorhanden sind? Ein nützliches Hilfsmittel stellen in solchen Fällen sicherlich die Katastermappen dar. Diese besitzen jedoch keine absolute Beweiskraft in Bezug auf die tatsächliche Ausdehnung des jeweiligen benachbarten Grundstückes. In diesem Zusammenhang greift nämlich Artikel 950 des Zivilgesetzbuches (ZGB), welcher den besagten Katastermappen im Falle einer gerichtlichen Auseinandersetzung lediglich eine behelfsmäßige Beweiskraft zuschreibt. Und zwar gilt diese nur dann, wenn keine anderen Beweismittel zur Verfügung stehen bzw. vorgebracht werden können, um die effektive Grenzlinie zu definieren.
Im Umkehrschluss bedeutet das, dass jedes andere Beweismittel, sogar der Zeugenbeweis, gegenüber den Katastermappen überwiegt. Kann man also mit Hilfe von Zeugen beweisen, dass die Grenze seit jeher einen bestimmten Verlauf hat oder dass es eine Einigung zwischen den Nachbarn gegeben hat, mit der der Grenzverlauf einvernehmlich festgestellt wurde, entkräften diese Beweise die Grenzen, die sich aus den Katastermappen ergeben. Sollten hingegen keine anderweitigen Beweismittel vorliegen, kann der Grenzverlauf auch anhand der Katastermappe durch einen Techniker bestimmt werden – bestenfalls außergerichtlich und im Einvernehmen der beiden Anrainer, andernfalls im Zuge eines Gerichtsverfahrens durch einen Amtssachverständigen.

Mögliche Ersitzung einer ­Dienstbarkeit
Wenn sich anhand der oben angeführten  Kriterien herausstellen sollte, dass die Grenze im konkreten Fall tatsächlich überschritten wurde, kann außerdem noch überprüft werden, ob im konkreten Fall möglicherweise die Ersitzung einer Dienstbarkeit geltend gemacht werden kann. Dabei ist ausschlaggebend, wie lange und in welcher Form die vom Nachbarn beanstandeten Handlungen bereits ausgeübt worden sind. Insbesondere müssen diese Handlungen für eine Ersitzung bereits seit mindestens 20 Jahren auf offenkundige Art und Weise (also für jedermann ersichtlich bzw. nicht heimlich) und ohne Gewalteinwirkung ausgeübt werden, ohne dass der Eigentümer des Nachbargrundstückes dies beanstandet oder verhindert hätte.
Liegen die obigen Bedingungen vor, so kann das Nachbargrundstück weiterhin so wie bisher genutzt werden, wobei der Nachbar diese Nutzung zu tolerieren hat. Sollte dieser den Zugang zu seinem Grundstück versperren und die Nutzung behindern, besteht außerdem die Möglichkeit, die Dienstbarkeit zu Lasten des Nachbargrundstückes gerichtlich feststellen zu lassen. Es ist allerdings grundsätzlich anzuraten, eine außergerichtliche Einigung zu finden und einen Gerichtsstreit zu vermeiden, da ein solcher immer ein gewisses Prozessrisiko und beträchtliche Kosten für beide Seiten mit sich bringt.
Für weitergehende Informationen in Bezug auf Grenzstreitigkeiten und die Bestellung von Dienstbarkeiten steht das Team der Rechtsabteilung den Bauernbund-Mitgliedern gerne zur Verfügung.

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