In allen Gemeinden (im Bild Michael Kaufmanns Heimatgemeinde Naturns) stehen auch in den kommenden Jahren wichtige Entscheidungen an.

„Sonst kümmert sich niemand drum“

In ziemlich genau einem halben Jahr sind Gemeinderatswahlen. In vielen Orten ist die Suche nach geeigneten Kandidatinnen und Kandidaten schon am Laufen. Im folgenden Interview geht es – unter anderem – um die Bedeutung der bäuerlichen Vertretung vor Ort.

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SBB

Über 400 bäuerliche Kandidatinnen und Kandidaten schafften bei den Gemeinderatswahlen 2020 den Sprung in den Gemeinderat, über 20 wurden sogar ins Bürgermeisteramt gewählt. Eine sehr stolze Zahl, wenn man an den Anteil der Bäuerinnen und Bauern an der Gesamtbevölkerung denkt. Warum es wichtig ist, dass die bäuerliche Vertretung auf Gemeindeebene auch nach den Wahlen im Mai 2025 stark bleibt, was sie auf Gemeindeebene bewirken kann und warum sich eine Kandidatur lohnt – über diese und viele andere Fragen hat der „Südtiroler Landwirt“ mit einem gesprochen, der es wissen muss: Michael Kaufmann ist nicht nur seit Februar dieses Jahres einer der beiden Landesobmann-Stellvertreter des Südtiroler Bauernbundes, er sitzt auch seit zehn Jahren im Gemeinderat in seiner Heimatgemeinde Naturns.

Südtiroler Landwirt: Michael, du sitzt seit den Gemeinderatswahlen 2015 im Gemeinderat von Naturns. Was hat dich damals dazu bewogen, politisch aktiv zu werden?
Michael Kaufmann:
Ich war immer schon politisch interessiert, das habe ich von klein auf mitbekommen und auch in der Schule haben mir meine Lehrer das mitgegeben. Mit 17 Jahren wurde ich dann in den Ortsausschuss der Südtiroler Bauernjugend gewählt und wurde später auch Bauernjugend-Ortsobmann. Als solcher habe ich 2010 erstmals für den Gemeinderat kandidiert, bin aber beim ersten Anlauf ganz knapp gescheitert. Fünf Jahre später hat es dann geklappt. Über die Bauernjugend habe ich immer mitbekommen, wie die Gemeindepolitik funktioniert – und ich bin jemand, der gerne dort ist, wo Entscheidungen getroffen werden. Da war der Sprung auf die Kandidatenliste dann nicht mehr weit.

Warum ist es aus deiner Sicht wichtig, dass die Landwirtschaft in der Gemeindepolitik gut vertreten ist? Und warum war es bisher immer so, dass das (in den meisten Orten) der Fall war?
Was uns allen klar sein muss: Jeder Mensch kennt am besten jene Herausforderungen, die sich in seinem unmittelbaren Umfeld stellen. Auch wenn es in einem Gemeinderat immer ums ganze Dorf geht, so wird sich doch jeder Hotelier, jeder Handwerker und jeder Arbeitnehmer zuallererst mit den Themen befassen, die er am besten kennt und über die er am besten Bescheid weiß. Wir können nicht erwarten, dass sich andere Berufs- und Bevölkerungsgruppen um die Anliegen der Landwirtschaft kümmern. Das müssen wir Bäuerinnen und Bauern schon selber tun, sonst tut es niemand. Dass diese Anliegen dann von einer breiten Mehrheit mitgetragen werden, wenn es um die Entscheidungen geht, darauf kann man sich in unseren Dörfern schon meistens verlassen. Aber auf die Tagesordnung setzen und mit Nachdruck auf diese Themen hinarbeiten müssen wir, die aus der Landwirtschaft kommen. Die Erfahrung hat auch gezeigt, dass Bäuerinnen und Bauern im Gemeinderat und im Gemeindeausschuss ihrerseits immer ein gutes Gespür für eine positive Dorfentwicklung haben. Das wird sicher mit ein Grund dafür sein, dass so viele Bäuerinnen und Bauern in diesen Gremien sitzen.

Die Raumordnung ist ein Dauerbrenner der Landes- und vor allem auch der Gemeindepolitik. Kannst du kurz zusammenfassen, was sich in den vergangenen Jahren getan hat und was auf die Gemeinden zukommt?
Die Begriffe „Raumordnung“ und „kurz zusammenfassen“ passen nicht wirklich zusammen ... (lacht). Jeder, der seit Inkrafttreten des aktuellen Gesetzes für Raum und Landschaft etwas bauen wollte, kennt die Schwierigkeiten. Mittlerweile kann man damit einigermaßen gut arbeiten. Ein zentraler Punkt ist das Gemeindeentwicklungskonzept, das jede Gemeinde erstellen muss und bei dem die Landwirtschaft zentral betroffen ist. Denken wir nur an die Siedlungsgrenzen, an die Verkehrsplanung oder an die Grünraumplanung. Bei all diesen Themen geht es auch um landwirtschaftlichen Grund, der für uns Lebensgrundlage und bekanntlich nur im beschränkten Ausmaß vorhanden ist. Für uns als Landwirtschaft ist es sehr wichtig, dass wir bei all diesen Plänen bereits in der Entstehungsphase mit dabei sind und mitreden. Sich im Nachhinein zu beschweren und zu schimpfen, bringt meistens sehr wenig, wir müssen von Anfang an mitentscheiden. Und das können wir nur, wenn unsere Leute in den entsprechenden Gremien sitzen.

Du kommst ja aus der Bauernjugend, die sich ebenfalls immer wieder mit der Vertretung der Jugend in der Gemeindepolitik beschäftigt. Wie interessiert ist die Jugend an der Gestaltung der Politik auf Gemeindeebene und wie motiviert man junge Leute, sich politisch auf Gemeindeebene zu engagieren?
Ich denke, die Bauernjugend ist ein Beispiel dafür, dass sich junge Menschen – anders als es oft heißt – sehr wohl für politische Themen interessieren. Gerade aus ihren Reihen kommen immer wieder sehr engagierte Menschen, die gelernt haben, zusammenzuarbeiten, Kompromisse zu finden und etwas auf die Beine zu stellen. Damit diese jungen Menschen auch den Sprung in die Gemeindepolitik wagen, ist es wichtig, sie von Anfang an mitzunehmen und ihnen zu zeigen, dass ihre Meinung auch etwas zählt. Die Jugend braucht Zeit, um sich das notwendige dicke Fell, das es für die Arbeit in Gemeinderat und -ausschuss braucht, anzueignen. Diese Zeit muss man jedem zugestehen, dann arbeitet er oder sie umso motivierter mit.

Wie schwierig ist es allgemein, Männer und Frauen auf Gemeindeebene zu motivieren, dass sie für die Gemeinderatswahlen kandidieren? Hast du vielleicht einen Tipp, wie man an die Kandidatensuche herangehen könnte?
Es braucht ein wenig Gespür, um zu erkennen, wer sich wirklich für gemeindepolitische Themen interessiert. Erfahrungsgemäß bringt es wenig, jemandem immer und immer wieder nachzulaufen und ihn zu einer Kandidatur zu drängen. Wer aber ein Grundinteresse für die Gemeindepolitik mitbringt, den gilt es zu unterstützen und ihm zu zeigen, dass sein Einsatz für die Landwirtschaft und fürs ganze Dorf wichtig wäre. Es ist wichtig, möglichen Kandidatinnen und Kandidaten reinen Wein einzuschenken und ein realistisches Bild von der anfallenden Arbeit aufzuzeigen. Dieses Gespür zu entwickeln und die richtigen Leute zu finden, das ist Aufgabe des Bauernbund-Ortsausschusses. Es kommt immer auch auf eine gute Mischung an. Am besten funktioniert bäuerliche Politik auf Gemeindeebene, wenn alle Altersgruppen sowie Männer und Frauen mit dabei sind. Das macht die Arbeit leichter und bringt bessere Ergebnisse.

Was viele abschreckt, ist der zeitliche Aufwand, der für das Engagement auf Gemeindeebene anfällt. Welche Erfahrungen hast du diesbezüglich gemacht? Kannst du diese Befürchtungen entkräften?
Es kommt natürlich immer auf die Größe der Gemeinde an und ob man im Gemeindeausschuss oder „nur“ im Gemeinderat sitzt. Ein gewisser zeitlicher Aufwand ist schon gegeben – ich denke aber, wenn man die Passion für die Politik ein wenig mitbringt und sich bewusst ist, dass es um die Zukunft der eigenen Gemeinde geht, dann ist das schon überschaubar. Wenn man einmal merkt, dass sich der Einsatz auch lohnt und es gelingt, etwas Gutes zur Entwicklung der eigenen Gemeinde beizutragen, dann geht das mit den paar Sitzungen und Terminen fast schon von alleine.

Für Michael Kaufmann ist es wichtig, sich politisch zu engagieren. Foto: Ivo Corra

Interview Bernhard Christanell

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