Nutztiere als Ernährungs-Sicherer
Um Nährstoffkreisläufe in der Landwirtschaft ging es am vergangenen Freitag bei der 18. Berglandwirtschaftstagung im Forum Brixen. Zur Sprache kam dabei auch die Rolle der Nutztiere für die Ernährungssicherung und ihre wahre Rolle beim Klimaschutz.
Der Beratungsring Berglandwirtschaft BRING hatte zur Tagung mehrere namhafte Referenten eingeladen, die den – teils vor Ort, teils online – anwesenden Tagungsbesuchern einen Vormittag voller fachlich fundierter Informationen boten. Nach den Eröffnungsworten von BRING-Obmann Daniel Gasser und Landwirtschafts-Landesrat Luis Walcher ergriff Wilhelm Windisch vom Lehrstuhl für Tierernährung an der Technischen Universität München das Wort. Windisch gilt als ausgewiesener Fachmann im Bereich tierische Ernährung, diesmal ging er in seinem Vortrag auf die Bedeutung der Nutztiere für die Ernährungssicherheit der Bevölkerung ein. Dabei versuchte er auch, mit einigen in den Medien und der öffentlichen Diskussion oft vorgebrachten Mythen aufzuräumen: „Der Vorwurf, dass unsere Kühe – und die Wiederkäuer im Allgemeinen – Hauptverursacher für die Erderwärmung und damit Klimakiller seien, hält sich hartnäckig. Dabei lässt er sich mit Zahlen und Fakten einfach widerlegen“, betonte Windisch.
Tatsache sei, dass 2024 weltweit das wärmste Jahr seit Beginn der Wetteraufzeichnungen war. Dafür verantwortlich seien jedoch weltweit gesehen nur zu etwa zwölf Prozent die von Menschen gehaltenen Nutztiere, zu rund sieben Prozent die Wiederkäuer. In Ländern wie Deutschland und Italien lägen diese Anteile etwa bei der Hälfte der genannten Werte. „Es ist eine Quadratur des Kreises: Zum einen werden Reduktionsziele festgelegt und die Verantwortung dafür, diese zu erreichen, wird wie der Schwarze Peter weitergereicht, bis zum letzten Glied in der Kette: dem Landwirt. Auf der anderen Seite muss bis 2050 aus der Tierproduktion mindestens 20 Prozent mehr Protein kommen, um die wachsende Weltbevölkerung zu ernähren“, unterstrich Windisch.
Nutzfläche wird weltweit knapper
Wenn sich von 1970 bis 2023 die Weltbevölkerung von vier Milliarden auf acht Milliarden verdoppelt hat, dann sei das – betonte Windisch – vor allem einer enormen Produktivitätssteigerung im Ackerbau zu verdanken. Nun nähere man sich bei der verfügbaren Ackerfläche den Grenzen der Möglichkeit. Angesichts dieser Verknappung der Nutzfläche sei ein Paradigmenwechsel notwendig: „Früher war das Ziel der Tierfütterung die maximale Futterverwertung. Das hat dazu geführt, dass es immer mehr Geflügel gab, weil dieses darin besonders gut ist. Nach dem Geflügel waren Schweine gefragt, dann erst die Wiederkäuer. Mit der Verknappung der Nutzfläche und damit der verfügbaren Biomasse dreht sich das um. Wenn es um minimale Futterkonkurrenz statt um maximale Futterverwertung geht, dann ist der Wiederkäuer gefragter denn je, denn kein Tier kann für den Menschen nicht-essbare Biomasse besser verwerten als er. Ja, der Wiederkäuer produziert aus nicht-essbarer Biomasse wie Gras sogar neue Lebensmittel wie Milch und Fleisch“, erklärte Windisch.
Prinzip lautet Teller-Trog-Tank
Die Prioritäten bei der Verwertung der Biomasse müssten daher nach dem Prinzip Teller-Trog-Tank ablaufen: Die Gewinnung pflanzlicher Nahrung hat Vorrang (Teller), Nutztiere bekommen nur noch nicht-essbare Biomasse (Trog), am Ende der Biomasse-Nutzung steht die Energiegewinnung (Tank).„Dazu kommt, dass pflanzliche Nahrung ein Vielfaches an nicht-essbarer Biomasse produziert: So landet nur ein Drittel der Weizenpflanze im Mehl, so ist das mit anderen Produkten auch“, unterstrich Windisch. Absolutes Grünland sei nicht ackerfähig und bestehe praktisch zur Gänze aus nicht-essbarer Biomasse. Weltweit liege der Anteil dieses absoluten Grünlandes bei 70 Prozent, ebenso schätzungsweise in Südtirol. „Ein Kilogramm pflanzliche Nahrung verursacht mindestens vier Kilogramm nicht-essbare Biomasse, die vorwiegend Wiederkäuer effizient verwerten können“, betonte Windisch. Den Vorwurf, die Kuh sei ein Klimakiller, entkräftete Windisch mit einer Begriffserklärung: „In der Diskussion geht es immer um CO2-Äquivalente, die aus der Haltung von Nutztieren entstehen. Tatsache ist aber, dass wir den weltweit größten Anstieg von Emissionen aus Wiederkäuern in Südamerika und Südasien haben, weil die Zahl der Tiere dort stark steigt. In Europa haben wir heute weniger Wiederkäuer als im Jahr 1800“, stellte Windisch fest.
Zudem sei das Methan, das beim Wiederkäuen entsteht, ein kurzlebiges Treibhausgas, das sich in der Atmosphäre verhältnismäßig rasch abbaue und für ein atmosphärisches Gleichgewicht sorge. Das Kohlendioxid hingegen sammle sich in der Atmosphäre an und benötige für den Abbau Tausende von Jahren. „Auch wenn wir heute alle Wiederkäuer abschaffen würden, hätte das eine kaum wahrnehmbare Abkühlung zur Folge. Ein starker Anstieg der Wiederkäuer würde hingegen sehr wohl eine rasche und starke Erwärmung verursachen, weshalb es wichtig ist, dass deren Zahl möglichst konstant bleibt“, rechnete Windisch vor. Wichtig sei es, die CO2-Emmissionen maximal reduzieren und sogenannte CO2-Senken bestmöglich zu fördern, wobei das Grünland die stärkste Senke sei. „Ein Verzicht auf Nutztiere ist auch deshalb nicht gut, weil die nicht-essbare Biomasse dennoch zerfallen und die gleichen Emissionen abgeben würde, die Menschheit habe aber die von den Wiederkäuern produzierte Nahrung verloren. Auch Kraftfutter ist kein Problem, solange es aus nicht-essbarer Biomasse besteht“, betonte Windisch. Schlussendlich komme es darauf an, die nicht-essbare Biomasse effizienter zu verwerten, die Futterwirtschaft zu optimieren, die Qualität des Grundfutters zu erhöhen und den unproduktiven Futterverzehr zu minimieren. Auch die Langlebigkeit der Tiere sei ein wichtiger Faktor, schließlich trage sie dazu bei, aus gleich viel Biomasse mehr Lebensmittel zu produzieren.