„Müssen sorgsam mit Flächen umgehen!“
Eine Lösung beim Wolfsmanagement, eine bessere Wassernutzung und ein stärkerer Fokus auf erneuerbare Energie sind nur einige der Anliegen von Bauernbund-Obmann Leo Tiefenthaler für das neue Jahr. Bei Lebensmitteln wünscht sich Tiefenthaler faire Preise.
Zum Jahreswechsel bittet der „Südtiroler Landwirt“ wie gewohnt den Bauernbund-Landesobmann Leo Tiefenthaler zum Interview – übrigens zum vorletzten Mal, denn im Februar 2024 endet die Obmannschaft von Leo Tiefenthaler. Was er sich für das neue Jahr vorgenommen hat und was er bis zum Ende seiner Amtszeit noch in Angriff nehmen möchte, erklärt er im folgenden Interview.
Südtiroler Landwirt: Herr Tiefenthaler, das Jahr 2022 war ein spannendes und zugleich herausforderndes Jahr. Was wird Ihnen in Erinnerung bleiben?
Leo Tiefenthaler: Das vergangene Jahr wurde von einer sehr langen Hitze- und Trockenperiode geprägt, die sich auf die Heuernte, die Obsternte und die Weinlese ausgewirkt hat. Das Jahr hat klar gezeigt, dass wir uns noch besser auf Wetterextreme vorbereiten müssen, etwa durch Investitionen in Bewässerungsanlagen und den Bau von Speicherbecken. In die Geschichte eingehen werden wohl auch die extremen Preissteigerungen vor allem bei Energie, Betriebs- und Futtermitteln, was sich auf die Rentabilität der Betriebe niederschlägt.
Das Großraubwild bereitet uns schon seit Jahren große Sorgen. Was wir dringend brauchen, ist die Möglichkeit, Raubtiere entnehmen zu können.
Trotz zahlreicher Initiativen und vieler Risse kommt man beim Wolfsmanagement nicht wirklich voran. Ein Treffen mit dem neuen italienischen Landwirtschaftsminister vor Kurzem verlief positiv und sorgte für neue Hoffnung. Was muss jetzt passieren?
Das Problem liegt in Rom. Dort müssen in Zusammenarbeit mit der ISPRA endlich Entscheidungen getroffen werden, die eine Entnahme erlauben! Vor allem muss die Entnahme unmittelbar und unbürokratisch möglich sein, denn sonst ist der Wolf über alle Berge, bevor wir überhaupt eine Genehmigung zur Entnahme in der Hand haben.
Herr Tiefenthaler, 2023 ist das Jahr der Wahlen. Zwischen November und Februar werden die Bauernbund-Funktionäre neu gewählt. Mit der Wahl endet nach drei Amtsperioden auch Ihre Obmannschaft. Was haben Sie sich für dieses letzte Jahr besonders vorgenommen?
Ich hoffe, dass wir beim Großraubwild einen großen Schritt weiterkommen und endlich Lösungen finden. Dann möchte ich einen Schwerpunkt auf eine bessere Wasserversorgung legen, wobei schon klar ist, dass das mehrere Jahre brauchen wird. Wir befassen uns schon länger mit dem Thema Bewässerung, es wird aber nötig sein, sich noch intensiver mit der Wassernutzung zu beschäftigen.
Im Herbst wird ein neuer Landtag gewählt. Bis 27. Jänner läuft noch die Bauernbund-Basiswahl zur Ermittlung der bäuerlichen Kandidatin bzw. der Kandidaten. Auf welches Ergebnis hoffen Sie im Herbst?
Ich hoffe, dass jene vier Erstgewählten, die in der Basiswahl bestimmt und vom Bauernbund dann im Wahlkampf unterstützt werden, im Herbst mit einem guten Ergebnis in den Südtiroler Landtag gewählt werden.
Zudem wäre es wichtig, dass auch einige bäuerliche Kandidatinnen und Kandidaten außerhalb des Südtiroler Bauernbundes den Sprung in den Südtiroler Landtag schaffen und wir auf sie zählen können. Die Landwirtschaft braucht eine starke bäuerliche Vertretung, um für ihre Anliegen eine Mehrheit zu erhalten.
Neben dem Wolf beschäftigte ein weiteres, wenn auch viel kleineres Tier die Bäuerinnen und Bauern: der Borkenkäfer. Was müssen die Politik und die Waldbesitzer tun, um die Ausbreitung des Borkenkäfers einzuschränken und die Wälder zu erhalten, die in Südtirol ja häufig Schutzwälder sind und daher eine ganz besondere Bedeutung haben?
Wichtig ist natürlich, befallene Bäume so schnell wie möglich zu fällen und aus dem Wald zu bringen. Das wird das Problem vielleicht nicht zur Gänze lösen, aber doch um einiges verbessern.
Die Politik muss die Waldeigentümer mit Fördermitteln unterstützen, vor allem weil der Preis für das „Käferholz“ gesunken ist. Wir dürfen nicht vergessen, dass der Wald nicht nur im Interesse der Waldbesitzer ist, sondern insgesamt die Gesellschaft betrifft, da die Wälder Wasserspeicher sind, vor Lawinen und Muren schützen und als Ort für die Freizeitgestaltung eine große Bedeutung haben. Daher sind die Fördermittel eine Investition in den Zivilschutz.
Ein heißes Thema im letzten Jahr waren die stark gestiegenen Preise für Energie, Treibstoff, Betriebs- und Futtermittel. Die Auszahlungspreise werden die Mehrkosten kaum abdecken können. Wie kann das Einkommen der heimischen Bäuerinnen und Bauern bzw. die Rentabilität der Betriebe für die Zukunft noch besser abgesichert werden – durch mehr Zu- und Nebenerwerb, mehr Innovation oder mehr Zusammenarbeit der Genossenschaften?
Primär müssen wir erreichen, dass die Preise für Milch, Obst, Wein, Gemüse, verarbeitete bäuerliche Produkte usw. auf ein angemessenes Niveau steigen und die Bauern einen fairen Auszahlungspreis erhalten, der die Kosten deckt, ein Einkommen sichert und Investitionen ermöglicht. Das wäre die beste Unterstützung für unsere heimischen Betriebe. Eine gute Rentabilität ist ein ganz wichtiger Faktor, damit auch die nächste Generation mit Freude den Hof übernimmt.
Natürlich spielen auch der Zu- und Nebenerwerb oder die Erzeugung erneuerbarer Energien eine ganz wichtige Rolle, um ein angemessenes Betriebseinkommen zu erzielen. Dass es in Südtirol noch immer so viele kleine, familiengeführte Bauernhöfe gibt, ist zu einem guten Teil auch ein Verdienst der Genossenschaften. Wir als Südtiroler Bauernbund haben, neben dem Zu- und Nebenerwerb mit der Abteilung Marketing und der Marke „Roter Hahn“, stark auf die Aus- und Weiterbildung gesetzt, was ebenso wichtig ist. Bäuerinnen und Bauern mit innovativen Ideen erhalten in der Abteilung Innovation & Energie Beratung und Unterstützung. Zudem haben wir auch unser Energieberatungsangebot ausgeweitet. Gut ist, wenn ein Betrieb auf mehreren Säulen steht.
Apropos Zu- und Nebenerwerb: In den letzten Tagen gab es eine öffentliche Diskussion über das Agri-Camping. Sollten die Zu- und Nebenerwerbsmöglichkeiten weiter ausgebaut werden?
Auf alle Fälle! Agri-Camping ist in anderen Ländern und Regionen seit Langem erlaubt und erfolgreich. Allerdings braucht es klare Rahmenbedingungen und auch Einschränkungen. Ein flächendeckendes Agri-Camping ist sicherlich nicht sinnvoll und auch nicht gewollt. Aber dort, wo die Voraussetzung für ein Campingangebot am Bauernhof vorhanden sind, sollte Agri-Camping möglich sein. Wir arbeiten daran, diese Möglichkeit des Zuerwerbs gesetzlich zu verankern.
Die Landwirtschaft steht immer wieder auch wegen der Förderungen in der Öffentlichkeit – und in der Kritik. Viele Bäuerinnen und Bauern wünschen sich mehr Anerkennung für ihre Arbeit. Wie kann man die Wertschätzung für die Landwirtschaft erhöhen?
Wir müssen noch mehr darauf aufmerksam machen, was unsere Bäuerinnen und Bauern auch für die Gesellschaft leisten. Sie produzieren hochwertige Lebensmittel vor Ort. Dadurch verkürzen sich Transportwege. Zudem ist die Versorgung mit Lebensmitteln garantiert. Leider ist das zu einer Selbstverständlichkeit geworden. Die Versorgungssicherheit wird aber in den nächsten Jahren mehr zum Thema. Daneben pflegen und erhalten die Bäuerinnen und Bauern durch ihre tagtägliche Arbeit das einmalige Landschaftsbild Südtirols. Und nicht zuletzt sind sie in Verbänden und Vereinen aktiv, denken wir nur an die Musikkapellen, die Chöre oder die Feuerwehren. Der Bauernbund macht unter anderem mit der Kommunikationsinitiative „Dein Südtiroler Bauer“ auf die vielfältigen Leistungen der Landwirtschaft aufmerksam. Aber auch jede Bäuerin und jeder Bauer kann tagtäglich im Gespräch mit den Mitmenschen auf die Verdienste der Landwirtschaft hinweisen.
Den ganzen Bericht finden Sie ab Freitag in der Ausgabe 1 des „Südtiroler Landwirt“ vom 20. Jänner ab Seite 4, online auf „meinSBB“ oder in der „Südtiroler Landwirt“-App.