Ein innovatives Filtersystem (im Container) macht es möglich, dass die Waschanlage in Kurtatsch keinen Tropfen Abwasser produziert.

Kein Tropfen gelangt ins Abwasser

Die Bezugsgenossenschaft Kurtatsch hat auf eine Waschanlage mit Filtersystem umgestellt, kein Tropfen ­Abwasser gelangt mehr in die Kanalisation. Darauf ist Obmann Horst Peer stolz, auch wenn ihm das ­Pilotprojekt viel abverlangt hat. Die nächsten werden es viel leichter haben.

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Innovationen

Traktoren und Sprüher waschen, ohne dass Rückstände ins Abwasser gelangen, ist ein gutes Gefühl, sagt Horst Peer im Interview mit dem „Südtiroler Landwirt“. Wie die Bezugsgenossenschaft Kurtatsch, deren Obmann er ist, mit einer Pilotanlage zum Vorreiter für eine innovative Filtertechnik wurde, erzählt er auch.

Südtiroler Landwirt: Herr Peer, wie kam es dazu, dass die Bezugsgenossenschaft Kurtatsch eine Waschanlage für Traktoren und landwirtschaftliche Maschinen eingerichtet hat?
Horst Peer:
Die Idee für eine Waschanlage ist bereits vor etwa 11 Jahren entstanden: Damals ist die Bakteriose Feuerbrand erstmals verstärkt in unserem Obstbaugebiet aufgetreten. Man wusste, dass die Krankheit auch durch Maschinen und Geräte übertragen wird, weshalb wir Bauern aus Kurtatsch die Notwendigkeit sahen, etwas Gemeinschaftliches einzurichten: Die meisten Bauern hier leben im Ortskern, während ihre Felder im Talboden angelegt sind, in unmittelbarer Umgebung der Gewerbezone, wo sich auch der Sitz der Bezugsgenossenschaft Kurtatsch (BGK) befindet. Deshalb hat man sich dazu entschieden, hier eine überbetriebliche Waschanlage einzurichten, damit sich nicht jeder daheim mit dem Problem herumschlagen muss: Wo richte ich einen Waschplatz ein? Wie entsorge ich das Waschwasser fachgerecht? Wie reagieren die Leute darauf, wenn ich mit verschmutztem Traktor und Sprüher durchs Dorf fahre?

Wann wurde die Waschanlage in Betrieb genommen?
In Betrieb ist die Anlage seit 2016, denn der Weg von der Idee bis zur Umsetzung und ­Inbetriebnahme war lang. Im Endeffekt­ waren es im ersten Schritt zweieinhalb Jahre bis sie in Betrieb genommen werden konnte: Wir haben die Idee zunächst mit der Gemeinde abgeklärt. Alle waren einverstanden und meinten, man könne sie rasch umsetzen. Das hat sich aber als Trugschluss herausgestellt, denn bald sind Fragen aufgetaucht. Das fing mit dem Standort für die Anlage an: Zunächst war einer mitten in den Feldern vorgeschlagen worden, was uns aber nicht überzeugt hat. Schließlich hat der Standort hier direkt am Sitz der Bezugsgenossenschaft den Vorteil, dass wir alles im Blick haben und sofort reagieren können, falls etwas fehlt oder nicht in Ordnung ist. So haben wir direkt und indirekt über Videoüberwachung alles unter Kontrolle. Auch die Nachbarn waren zunächst skeptisch, sie fürchteten den Lärm der Traktoren und auch des Dampfdruckreinigers. Aber wir haben für alles eine Lösung gefunden, zum Beispiel indem wir die Waschanlage eingehaust und fixe Öffnungszeiten angeboten haben: Sie ist von 7 bis 19 Uhr an Werktagen geöffnet, sonntags steht sie still.

Sie haben von einem ersten Schritt gesprochen. Was war der zweite Schritt?
Ja, der erste Schritt war schon aufwändig. Der zweite aber hat uns noch viel mehr Energie gekostet, denn dabei ging es um die Umstellung auf ein ganz neuartiges System mit Filteranlage, sodass kein Restwasser mehr entsteht. Diese Umstellung hat wieder zwei Jahre Vorlaufzeit gebraucht und ist mit diesem Frühjahr in Betrieb gegangen: Es ist ein Pilotprojekt der Firma Agrobox aus Mailand und hat uns viel Nerven und Zeit geraubt. Aber damit haben wir die erste und einzige Waschanlage in ganz Oberitalien, die durch ein ausgeklügeltes Filtersystem einen geschlossenen Wasserkreislauf bildet. Kein Tropfen des Abwassers gelangt mehr in die Kanalisation.

Sie sprechen von zwei Jahren Vorlaufzeit. Was hat so lange gedauert?
Ja, vor zwei Jahren sind wir wegen dieses Umbaus zum ersten Mal mit Vertretern der Gemeinde zusammengekommen, um das neue Projekt zu besprechen. Alle waren sehr begeistert, auch weil es ein innovatives Pilotprojekt war und man davon ausging, dass es rasch umgesetzt werden könnte. Dann hat uns aber rasch die Realität eingeholt: Es hat jede Menge Anträge und Genehmigungen gebraucht, mehrere Lokalaugenscheine von Seiten verschiedener Behörden. Alle wollten mitreden, kaum jemand hat aber wirklich gewusst, worauf es wirklich ankommt. Das ist, glaube ich, schon klassisch im Fall eines Pilotprojekts, aber doch sehr nervenaufreibend und vor allem zeitraubend. Corona hat das Ganze dann zusätzlich behindert. Und als wir dann endlich mit dem Umbau der Anlage beginnen wollten, hat es Lieferschwierigkeiten einzelner Teile für die Filteranlage gegeben, das hat das Ganze weiter verzögert. 2023 im März aber haben wir dann endlich mit der Testphase beginnen können.

Und wie sind Sie zufrieden?
Wir sind sehr zufrieden. Der geschlossene Kreislauf sorgt dafür, dass wir keinen Tropfen Abwasser von der Waschanlage in die Kanalisation und damit in die Kläranlage einbringen. Es ist ein angenehmes Gefühl, sagen zu können, dass die Bauern von Kurtatsch nichts dazu beitragen, wenn Pflanzenschutzmittel- oder andere Rückstände in der Kläranlage auftauchen sollten. Denn alle Kurtatscher Bauern waschen ihre Traktoren und Sprüher hier und von hier gelangt nichts mehr ins Schwarzwasser.

Wie funktioniert die Waschanlage?
Im Grunde läuft es gleich ab wie bei einer Tankstelle: Man stellt Traktor und Sprüher in die Anlage, wirft eine 2-Euro-Münze ein und kann dann mit dem Dampfstrahler und 60 Grad Celsius warmem Wasser eine bestimmte Zeit lang putzen. Um einen Traktor samt Sprüher ordentlich zu waschen, brauchte man bisher zwischen fünf und acht Euro, künftig werden es etwa zehn Euro werden, weil wir unsere Kosten sonst nicht gedeckt haben.

Wo kommt das Wasser her, mit dem die Geräte gereinigt werden?
Das Wasser kommt aus der Filteranlage. Etwa drei bis fünf Prozent des Waschwassers bleibt an der Maschine und geht mit dem nassen Traktor oder der nassen Hebebühne verloren. Das wird automatisch mit gemeindeeigenem Frischwasser aufgefüllt. Das Abwasser fällt in die Schlammgrube, gelangt dann zum Ölabscheider und über ein Zwischenbecken zur Filteranlage. Dort wird das Wasser gefiltert und gelangt dann wieder in den Frischwassertank. Von dort wird es für den nächsten Waschvorgang herangezogen, es ist also ein geschlossener Wasserkreislauf.

Und was passiert mit dem Sondermüll, der herausgefiltert wird?
Der wird in der Filteranlage konzentriert, momentan im Verhältnis 1 : 10, nun wird es auf 1 : 33 angepasst. Das bedeutet, dass bei 33 Kubikmeter Waschwasser letztendlich ein Kubikmeter Sondermüll anfällt, der über ein spezialisiertes Südtiroler Unternehmen entsorgt wird. Dieses Unternehmen holt den Sondermüll ab, die Anpassung auf eine höhere Konzentrierung war nötig, um uns logistisch zu entlasten. Denn dann brauchen wir die Entsorgung nur etwa alle drei Monate.

Wer darf das Angebot in Anspruch nehmen?
Die Waschanlage benützen dürfen alle 482 Mitglieder der BGK: Das sind alle Bauern aus Kurtatsch und andere im Umkreis von etwa fünf Kilometern, also aus Tramin (etwa 100), Margreid (etwa 60), aus Laag-Sankt Florian und Einzelne aus Neumarkt. Auch Kunden dürfen ihre landwirtschaftlichen Maschinen hier waschen, manche Bauern nehmen dieses Angebot das ganze Jahr und am Ende der Saison in Anspruch, bevor sie die Geräte einwintern.

Wie sind Sie mit der Auslastung zufrieden? Wird das Angebot gut angenommen?
Das Angebot wird sehr gut angenommen: 3500 bis 4000 Waschungen werden jedes Jahr gemacht. Kaum ein Traktor fährt hier einfach vorbei, die meisten machen einen Waschstopp und fahren dann sauber heim.

Was hat das Projekt gekostet?
Die Anfangsinvestition von 2016 lag bei etwa 90.000 Euro, die für den Umbau jetzt bei zusätzlich 30.000 Euro. Allerdings ohne die Filteranlage, die etwa 70.000 Euro kosten würde. Dazu kommen die laufenden Kosten. Die Filteranlage gehört derzeit noch der Firma Agrobox, weil es sich ja um eine Pilotanlage handelt. Sie ist für die Testphase geliehen. Wenn die Anpassungen, die wir uns wünschen, gemacht werden, werden wir die Anlage 2024 kaufen. Die Zusammenarbeit mit der Firma ist sehr gut: Der Chef ist unser direkter Ansprechpartner, er ist prsktisch rund um die Uhr erreichbar und kommt auch immer wieder vorbei. Zudem ist der Container mit der Filteranlage per Videokameras überwacht und kann so ferngewartet werden, auch das läuft sehr gut. Oder wir geben Fehlermeldung und sie lösen das Problem – eigentlich umgehend.

Und wie wurde das Projekt finanziert?
Fast ausschließlich über die Mitglieder. Wir haben zwar beim Landesrat für Landwirtschaft vorgesprochen und er war auch recht angetan von dem Projekt. Aber Geld hatte er keines für uns übrig. Dann haben wir beim Konsortium Südtirol Wein vorgesprochen. Schließlich kam eine schriftliche Zusage des Apfelkonsortiums, man werde uns 50.000 Euro Schenkungsbeitrag ausbezahlen. Aber auch das gestaltete sich schwierig: Bisher hat man uns 15.000 Euro ausbezahlt, der Rest soll uns überwiesen werden, wenn die Anlage ganz in unserem Besitz ist. Wir haben aber auch Unterstützung erfahren, zum Beispiel vom Beratungsring für Obst- und Weinbau – und zwar in allen Phasen des Projekts – oder auch von der Abteilung Innovation & Energie im Südtiroler Bauernbund. Beide haben uns weitergeholfen. Auch mit den Firmen war die Zusammenarbeit gut, bei ihnen möchten wir uns ebenfalls bedanken.

Würden Sie jemandem also abraten, in ihre Fußstapfen zu treten?
Nein, gar nicht, im Gegenteil: Wir sind als Pilotprojekt gestartet und mussten deshalb Wegbereiter sein, weil niemand wusste, wie dieses Projekt umzusetzen ist. Aber nicht nur wir haben in all den Jahren daraus gelernt, Behörden, Techniker und Institutionen wissen heute Bescheid und können entsprechend klare Auskunft geben. Und was die Finanzierung anlangt, hat beispielsweise das Apfelkonsortium 200.000 Euro für vier solcher Waschanlagen zur Verfügung gestellt. Eins davon sind wir. Ich bin sicher: Es wird für die nächsten einfacher – viel einfacher sogar.

Renate Anna Rubner

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