Ehrgeizig, offen, selbstständig
Bäuerin zu sein, ist mehr als eine Arbeit. Es ist Berufung und Erfüllung. Zumindest für die Bäuerin des Jahres 2024, Maria Forcher Tappeiner. Was es dafür braucht, ist auf alle Fälle unternehmerisches Feingefühl und den Rückhalt der ganzen Familie, sagt die Direktvermarkterin und Mutter von drei Kindern.
In der heutigen Zeit ist die Rolle der Bäuerin weit mehr als die traditionelle Vorstellung von Landwirtschaft. Bäuerinnen haben sich im Laufe der Jahre zu selbstbewussten Unternehmerinnen entwickelt, die mit Mut, Kreativität und einem klaren unternehmerischen Denken agieren. Diese Frauen sind nicht nur für den landwirtschaftlichen Betrieb mitverantwortlich, sondern gestalten aktiv ihre eigene Zukunft und die ihrer Familien. So eine Bäuerin ist Maria Forcher Tappeiner vom Moarhof in Kastelbell: Sie ist 40 Jahre alt, verheiratet und Mutter von drei Kindern. Maria möchte aber nicht nur als Ehefrau des Bauern bezeichnet werden, sie möchte als Bäuerin gesehen werden. Als solche führt sie gemeinsam mit ihrem Mann Lorenz den Obst- und Weinbaubetrieb Moarhof. Früher arbeitete sie als Hotelsekretärin, nebenbei half sie am Hof beim Zupfen und Ernten der Äpfel und bei Arbeiten, die sonst noch anfielen – wie es so viele Frauen auf den Höfen machen. Nachdem aber ihr drittes Kind geboren wurde, traf sie eine zukunftsweisende Entscheidung: Der Moarhof sollte nicht nur ihr Wohnort sein, sondern auch ihr Arbeitsplatz werden. Und so begann sie ihr Lebensprojekt – bereut hat sie es noch keine Minute.
Eigenständigkeit und Selbstverwirklichung
Maria spricht von unternehmerischem Geist und von Eigenständigkeit – natürlich auch mit all den Nachteilen, denn sie ist ständig unterwegs, ständig am Tun und muss auch Entscheidungen treffen, trägt also die volle Verantwortung. Durch den Verkauf ihrer hofeigenen Produkte hat sie gelernt, was es heißt, für Produktion, Marketing, Verkauf, für Buchhaltung und Kommunikation zuständig zu sein. „Wir Frauen sehen viele Dinge aus einem anderen Blickwinkel, das macht unseren unternehmerischen Geist so besonders“, ist Maria überzeugt. Das bringt aber auch mit sich, dass die Bäuerinnen Allrounderinnen sein müssen. Mit drei Kindern, dem Hof und der Direktvermarktung, den Hofführungen und vielen anderen Tätigkeiten muss man flexibel, ehrgeizig und diszipliniert sein sowie auch gute Nerven haben. Nur so schafft man es, all die verschiedenen Aufgaben und Anforderungen unter einen Hut zu bekommen. „Aber wenn man alles gerne tut und Freude daran hat, schafft man vieles“, räumt Maria ein. Am Hof könne sie sich ihre Arbeit oft selbst einteilen. Das sei aber auch die große Herausforderung, meint Maria. „Wenn man einer Arbeit auswärts nachgeht, hat man fixe Arbeitszeiten und irgendwann Feierabend. Hier am Hof aber hört die Arbeit nie auf. Wenn ich etwas plane, kommt sicher wieder etwas Unerwartetes dazwischen und das schmeißt die ganzen Pläne durcheinander.“ Auch in diesem Zusammenhang sei es wichtig, unternehmerisch zu denken und zu handeln, sagt Maria. Das lerne man aber mit der Zeit, da könne man hineinwachsen. Maria zeigt, dass es möglich ist, die eigene Leidenschaft für die Landwirtschaft mit unternehmerischem Denken zu verbinden.
Kreativität und hofeigene Produkte
Es gehe aber nur gemeinsam, unterstreicht Maria immer wieder. Maria und ihr Mann Lorenz kümmern sich beide um den Anbau der Äpfel und Weintrauben. Dies zeigt sich auch im Namen des Weines, der aus den Reben vor dem Schloss Kastelbell stammt. Auf dem Etikett steht „Loma“, was für Lorenz und Maria steht. Zudem werden auf dem Moarhof Marillen, Erdbeeren, Johannisbeeren und Himbeeren angebaut. Nach dem Motto „Vielfalt vom Garten bis ins Glas“ verarbeitet Maria das Obst im Sommer zu verschiedenen Marmeladen, Chutneys und Sirupen. Maria liebt die Herausforderung und probiert das eine oder andere in der Produktveredelung aus: Marmeladen und Sirupe mit Geschmäckern wie Lavendel, Rosmarin und Erdbeeren. Maria hat erkannt, dass sie nicht nur traditionelle Produkte anbieten, sondern auch innovative hofeigene Produkte entwickeln kann. Die Möglichkeiten sind viele, ihrer Kreativität sind kaum Grenzen gesetzt. Durch die Schaffung eigener Produkte stärkt sie ihre Identität und generiert auch ein zusätzliches Einkommen. Maria nimmt mit ihren Produkten regelmäßig an Genussmärkten und kleinen Bauernmärkten in ganz Südtirol teil. Vielleicht hat der eine oder die andere sie im Laufe des Sommers irgendwo sogar angetroffen und ihren Blauburgunder Rosé verkostet. Maria mag den direkten Kontakt und das Gespräch mit den Kundinnen und Kunden. Sie hat auch ein gutes Auge fürs Detail und präsentiert ihre Produkte mit Freude und Elan. Alles kann auch im Hofladen am Moarhof erworben werden. Der Verkaufsraum dient zudem als Verkostungsraum und zum gemütlichen Zusammensitzen.
Erlebbarkeit der Landwirtschaft
Maria ist es ein großes Anliegen zu erklären, wie der Apfel schmeckt und wie er heranwächst. Sie möchte den Leuten den Apfelanbau erklären. Und so hat sie die Ausbildung zur Bäuerinnen-Dienstleisterin sowie zur Apfelsommelière absolviert. Als Apfelbotschafterin zeigt sie im Rahmen von Schulprojekten, wie viele Schritte es braucht, bis der Apfel zu Hause in der Obstschale liegt. Bei den Apfelführungen mit Verkostung am Hof bringt sie den Menschen den Apfelanbau und die Sortenvielfalt näher. Mittlerweile ist die 40-jährige Bäuerin in Deutschland und anderen Regionen Italiens als Apfelbotschafterin unterwegs. „Das Projekt macht mir großen Spaß, die Begeisterung der Kinder ist ansteckend. Man bringt ihnen die gesunden Nahrungsmittel näher und zeigt ihnen, welche Arbeit hinter einem bäuerlichen Produkt steckt, damit sie respektvoll damit umgehen“, erzählt die Bäuerin. Auch den Erwachsenen bringt Maria den Apfelanbau in Südtirol näher. In den Apfelführungen, welche vom Tourismusverein Kastelbell angeboten werden, erklärt sie mit verschiedenen Stationen die Arbeiten der Obstbauern im Jahreslauf und führt die Interessierten durch die Apfelanlagen. Die Gäste sind fasziniert von der Vielfalt der Apfelsorten und Aromen. „Ich möchte, dass die Gesellschaft den Apfel anders wahrnehmen lernt, ihn aus einem anderen Blickwinkel betrachtet und das Produkt wertschätzt“, sagt die Bäuerin. Und so ist Maria unterwegs, sie mag es. Ihr Mann unterstützt sie dabei. „Er freut sich mit mir, wenn ich wieder einen neuen Auftrag als Apfelsommelière habe“, sagt Maria. Durch diese Aktivitäten schafft sie eine Verbindung zwischen der Landwirtschaft und der Gesellschaft, fördert das Verständnis für nachhaltige Praktiken und wertschätzt die Arbeit, die hinter der Lebensmittelproduktion steht.
Eigenes Einkommen am Hof
Maria hat in den letzten Jahren einiges erreicht, sie hätte vor zehn Jahren nie gedacht, sich als Unternehmerin am Hof so weiterzuentwickeln. „Einige Ideen schwirren noch in meinen Kopf herum. Wer weiß, vielleicht kann ich einige noch umsetzten,” lacht Maria. Als Bäuerin des Jahres möchte Maria Forcher Tappeiner die Frauen auf den Höfen ermutigen, sich am Hof selbst zu verwirklichen: „Wir Frauen müssen uns ein eigenes Einkommen aufbauen. Wir schaffen das, wir Bäuerinnen sind Powerfrauen. Wichtig ist, keine Selbstzweifel zu haben und jede Herausforderung mutig anzunehmen.“ Bäuerin wird man, sagt Maria: „Man wächst hinein und entwickelt sich und dann macht man den Beruf auch mit Leidenschaft. Das kommt von alleine.“ Wichtig sei auch, die Work-Life-Balance zu halten, so gut es geht, unterstreicht die Bäuerin: „Meine Familie und Freunde sind sehr wichtig für mich, aber auch die Zeit für mich alleine. Die nehme ich mir auch. Mal funktioniert es besser und mal weniger gut.“ Das gelingt ihr durch ihr Lebensmotto „Gib jedem Tag die Chance, der beste deines Lebens zu werden“. Sie ergänzt drei wichtige Werte, die ihr besonders wichtig sind, die sie lebt und die sie ihren Kindern weitergeben möchte: Ehrlichkeit, Dankbarkeit und Wertschätzung! Und noch einen Rat hat die Bäuerin des Jahres 2024, Maria Forcher Tappeiner: „Nie aufgeben, den Mut haben, Neues zu wagen. Mit der Hilfe der ganzen Familie schafft man vieles!“