Die Geschichte von den drei Gaben
Jesus, der als Kind in der Krippe zu uns in die Welt kommt, ist für alle da. Mit allem, was uns bedrückt und belastet, dürfen wir zu ihm kommen, nicht nur mit reichen Gaben. Das sagt uns die folgende Weihnachtsgeschichte.
Weihnachten, die fromme, kitschige Winterzeit zwischen Glühweinstand und Einkaufszentrum. Das bedeutet für viele Weihnachten, die Film- und Medienindustrie fördert diese klischeehafte Weihnachtsvorstellung. Doch Jesus ist vor über zweitausend Jahren in eine reale Welt gekommen, die genauso wie heute von Krieg, Not, Armut, Angst, Unterdrückung, Flucht, Krankheit und Tod geprägt war. Und genau in diese Welt will das Jesuskind Hoffnung und bedingungslose Liebe bringen, trotz aller Widrigkeiten des Lebens.
Advent mit Hiobsbotschaften ...
Meine heurige Adventszeit ist geprägt von Hiobsbotschaften, einem Hin und Her zwischen Krankenhausaufenthalten, Altersheim und Rehaklinik. Alles andere als eine heile Welt zwischen Lebkuchen, Tannenduft und Einkaufsstress. Meine Großmutter lag in diesem Advent im Sterben. Wie eine Kerze hat sie sich zusehends verbraucht und ist noch vor dem dritten Adventssonntag heimgekehrt zu unserem Schöpfer, zu meinem Großvater, ihren Eltern und Geschwistern. Indes kämpfte meine Mutter (ihre Tochter) unter körperlicher und seelischer Belastung in der Rehaklinik, um nach einem schweren Herzinfarkt wieder ins Leben zurückzukommen. Und dennoch bin ich voll Hoffnung und freue mich, auf Weihnachten zuzugehen. Es bleibt das Vertrauen auf Gott, dass, egal was auch immer passiert oder ist, alles gut ist und gut wird.
... und Hoffnungsschimmern
Am zweiten Adventssonntag – dem Fest der unbefleckten Empfängnis Mariens – war ich wie gewohnt im Gefängnis und hatte eine Begegnung mit einem jungen Häftling, der mir seine Lebensgeschichte erzählte, die von Abwegen und Straftaten geprägt war. Er hat nach mehreren Jahren Haft nun bald seine Schuld abgesessen. In diesen schweren Jahren hat er den Glauben wiedergefunden, begonnen zu studieren und möchte sein zukünftiges Leben dahin gehend nutzen, um präventiv durch seine Geschichte junge Menschen vor den Gefahren der Straße zu bewahren. Am selben Tag durfte ich auch wieder einmal ein Kind taufen. Und jedes Mal, wenn ich ein Kind taufe, kommen in mir Freude und Hoffnung auf. Es stimmt, unsere Lebensumstände sind oft von Stress, Krankheit, Angst, Tod und Depression geprägt. Wir bemitleiden uns selbst und lassen uns von dieser negativen Welt übermannen.
Und genau in dieser Zeit kommt das kleine Jesuskind auf die Welt und wird in unserem Herzen neugeboren. Der junge hoffnungsvolle Häftling, das neugeborene Kind bei der Taufe, der freundliche Gruß eines Arbeitskollegen, ein unerwarteter Anruf eines lieben Freundes und noch viel mehr … Immer dann ist Weihnachten. Ich freue mich schon jetzt darauf, wenn meine Mutter, kurz vor Weihnachten hoffentlich aus der Reha entlassen wird und mit uns feiern kann. Auch wenn wir um unsere Großmutter noch trauern werden, weil sie dieses Weihnachten nicht mehr unter uns ist, so freue ich mich dennoch für sie, denn sie darf nun endlich mit all ihren Lieben, die ihr vorausgegangen sind, Weihnachten feiern.
Noch nie ist es mir so klar geworden wie heuer, dass Weihnachten immer dann ist, wenn wir es schaffen, mit Hoffnung zu leben, ohne immer zu murren und zu jammern. Denn wer weiß, geliebt zu sein, liebt! Und das kleine Kind in der Krippe liebt uns alle bedingungslos und nur deshalb ist es in die Welt gekommen!
Drei etwas andere Gäste bei der Krippe
In diesem Sinne möchte ich Sie an einer meiner liebsten Weihnachtsgeschichten, „Die drei Gaben“ von Werner Reiser, teilhaben lassen ...
Kaum hatten die drei vornehmen Gäste aus dem Morgenland, die gekommen waren, das Kind anzubeten und ihm ihre Gaben zu bringen, auf höheren Befehl Betlehem verlassen, näherten sich drei andere Gestalten. Sie kamen ohne Gefolge, unauffällig und unansehnlich. Ihr Gang war schleppend, mühsam setzten sie Schritt vor Schritt. Ihre müden Gesichter waren so sehr vom Staub bedeckt, dass man ihre Farbe kaum erkennen konnte. Waren sie gelb, braun, schwarz oder weiß? Der Erste von ihnen ging in Lumpen einher und schaute hungrig und durstig umher. Hohle Augen, die zu viel Leid gesehen hatten, saßen in den tiefen Höhlen. Der Zweite ging vornübergeneigt. Er trug an den Händen Ketten. Vom langen Tragen und von der weiten Reise war er wund gescheuert an Händen und Füßen. Der Dritte hatte wirre Haare, verzweifelte Augen und einen unsteten und suchenden Blick, als ob er nach etwas Verlorenem Ausschau hielte. Die Leute, die um das Haus des Neugeborenen herumstanden, waren schon vielerlei Besucher gewohnt. Dennoch wichen sie scheu zurück, als sie diese drei Gestalten sich nahen sahen. Sie waren zwar selber lauter arme, unvermögende Leute – aber so elend und verwahrlost wie sie sah doch keiner von ihnen aus. Sie rückten scheu und unwillig zusammen und schienen beinahe einen Gürtel um das Haus zu legen, um die drei am Eintritt zu hindern. Auch sahen sie, dass sie nichts bei sich trugen, das sie als Gabe hätten abgeben können. Waren sie etwa gekommen, um etwas zu holen? Mancher dachte an das Gold, das von den eben Weggezogenen im Haus niedergelegt worden war. Jeder hatte davon erzählen hören. Hatten vielleicht auch diese etwas vom Gold vernommen? Immer stärkeres Gemurmel erhob sich gegen die seltsamen Ankömmlinge. Da wurde von innen die Türe geöffnet. Josef trat heraus. Einige riefen ihm empört zu, dass schlechtes Gesindel zum Kind kommen möchte, was er doch gewiss nicht zulassen könne. Er beschwichtigte sie und sprach: „Zu diesem Kind hat jedermann Zutritt – arm oder reich, elend oder vornehm, anständig oder verdächtig. Es gehört niemandem allein. Nicht einmal uns, seinen Eltern. Lasst sie herein!“ Verwundert über die Worte Josefs bahnte man den dreien eine schmale Gasse. Er führte sie hinein. Die Türe blieb offen. Wer konnte, drängte sich hinzu, um die seltsame Begegnung von Nahem mitzuerleben. Einigen wenigen wurde bewusst, dass sie vor Kurzem ebenso armselig vor das Kind getreten waren.
Nun standen die drei vor der Krippe und betrachteten lange und stumm das Kind. Bei diesem Anblick wusste keiner mehr, wer ärmer war: das Kind auf dem Strohlager oder seine Betrachter. Alle schienen in dieselbe Niedrigkeit eingetaucht und eingeschmolzen zu sein – der in den Lumpen, der mit der Kette, der mit dem traurigen Blick und das Kind. Da brach Josef das Schweigen. Er fühlte, dass er der am reichsten Beschenkte war, und es drängte ihn, seinen großen Dank für das Empfangene nun auch diese Armseligen spüren zu lassen. In einer Nische der Wand neben der Krippe leuchteten die drei Gaben, welche die vornehmen Besucher hingelegt hatten. Er hob sie auf und streckte sie den Fremden entgegen: dem Zerlumpten das Gold, dem Gefesselten die Myrrhensalbe und dem Traurigen den Weihrauch. Und er sprach zum Ersten: „So wie ich es ansehe, bedarfst du am ehesten des Goldes. Kaufe dir damit Nahrung und Kleider. Ich habe einen Beruf und werde meine Familie auch ohne Gold ernähren können.“ Und zum Zweiten sprach er: „Ich kann dir zwar deine Ketten nicht abnehmen, aber siehe, diese Salbe wird deinen geschundenen Händen und Füßen wohltun.“ Und zum Dritten sprach er: „Nimm diesen Weihrauch. Sein Wohlgeruch wird deine Trauer zwar nicht vertreiben, aber veredeln und deine Seele erquicken.“
Alles geriet in Bewegung. „Er verschenkt alles, was er an Kostbarem für das Kind erhalten hat!“, flüsterten sich alle zu und konnten angesichts der drei Elenden solche Sorglosigkeit fast nicht verstehen. Grenzte diese Verschwendung nicht an Beraubung des Kindes? Doch die drei schüttelten einmütig Hände und Köpfe. Der Erste antwortete: „Ich danke dir für dein großes Angebot. Aber sieh mich an! Wer bei mir Gold findet, wird mich sogleich als Dieb verdächtigen. Ich habe für andere Gold aus der Erde gegraben und selber nie besessen. Behalte es für dein Kind. Du wirst es bald brauchen können, und dir wird man es ohne Misstrauen abnehmen.“ Der Zweite antwortete: „Ich habe mich an meine Wunden gewöhnt. Ich bin an ihnen zäh und stark geworden. Behalte die Myrrhe für dein Kind. Wenn es geschundene Hände und Füße haben wird, kann sie ihm helfen.“ Der Dritte antwortete: „Ich komme aus der Welt der Religionen und Philosophien. Ich bin an ihnen irre geworden. Ich glaube nichts mehr. In der Wüste des Denkens habe ich Gott verloren. Was soll mir da der Weihrauch? Er würde nur meine Zweifel umnebeln. In seinem blauen religiösen Dunst würde er mir nur leere Bilder vorgaukeln. Aber er könnte mir Gott nicht ersetzen.“
Alle entsetzten sich über diese Worte und über die Rückweisung der Geschenke. Auch Maria und Josef bedeckten ihre Gesichter mit den Händen. Nur das Kind lag da mit offenen Augen. Die drei traten ganz nahe zu ihm hin und sprachen: „Du bist nicht aus der Welt des Goldes, der Myrrhe und des Weihrauchs – so wenig wie wir. Du gehörst in unsere Welt der Not, der Plage und des Zweifels. Darum bringen wir dir dar, was uns und dir gemeinsam ist.“ Der Erste nahm einige seiner Lumpen und legte sie auf das Stroh. Und er sprach: „Nimm meine Lumpen. Du wirst sie einst tragen, wenn sie dir deine Kleider nehmen und du allein und nackt sein wirst. Gedenke dann meiner.“ Der Zweite nahm eine seiner Ketten und legte sie ihm neben die Hand. „Nimm meine Fesseln. Sie werden dir passen, wenn du älter sein wirst. Man wird sie dir einst umlegen, wenn man dich wegführt. Denke dann an mich.“ Der Dritte beugte sich tief über das Kind und sprach: „Nimm meinen Zweifel und meine Gottverlassenheit. Ich habe sonst nichts. Ich kann sie allein nicht tragen. Sie sind mir zu schwer. Teile sie mit mir. Nimm sie ganz in dich auf, schreie sie aus, und trage sie vor Gott hin, wenn du so weit sein wirst.“ Tief erschrocken hielt Maria die Hände abwehrend über das Kind. Lautes Gemurmel drang durch das Haus und durch die Türe: „Jagt sie fort! Sie legen einen Fluch auf das Kind!“ Josef griff in die Krippe, um Lumpen und Fesseln von ihm wegzunehmen. Aber sie ließen sich nicht aufheben. Es war, als ob sie mit dem Kind verwachsen wären. Das Kind aber lag da, mit offenen Augen und Ohren zu den drei Männern hingewandt. Nach langem Schweigen erhoben sie sich. Sie streckten sich aus, als ob etwas Schweres von ihnen gefallen wäre. Sie hatten den Ort gefunden, wo sie ihre Last hatten niederlegen können. Sie wussten, dass bei diesem Kind alles in treuen Händen bewahrt und bis zuletzt durchgehalten würde: die Not, die Plage und die Gottverlassenheit. Mit zuversichtlichem Blick und festem Schritt traten sie aus dem Haus, hinaus in ihr begrenztes und mitgetragenes Elend.
Was diese Weihnachtsgeschichte für uns bedeutet
Wer dieses Kind, das Jesuskind in der Krippe verstanden hat, der weiß, dass er ihm voll Vertrauen nicht nur seine Freudengeschenke, sondern auch seine Not, Unfreiheiten und Verlassenheit in die Hände legen darf. Das Jesuskind wird seine Probleme nicht lösen, aber es wird sie mittragen und ihn nicht alleine lassen. Damit er leichter den Mut und die Hoffnung findet, sein Leben wieder neu zu ordnen. Wer das tut, wird spüren, dass er leichter, freier und hoffnungsvoller von dort wieder neu in die Welt aufbricht.
So wünsche ich allen noch ein gesegnetes, frohes und zuversichtliches Weihnachtsfest und einen leichten und positiven Blick auf das neue Jahr!