„Wir wollen und müssen weiter mitreden“
Seit knapp einem Jahr ist Daniel Gasser Landesobmann des Südtiroler Bauernbundes. Zum ersten Mal blickt er im Interview mit dem „Südtiroler Landwirt“ auf das neue Jahr voraus, und das mit einer gehörigen Portion Zuversicht.
Wie bereitet sich der Südtiroler Bauernbund auf die Gemeinderatswahlen im Mai vor? Wie geht es 2025 beim Thema Wolf weiter? Und welche Themen werden in Brüssel, Rom und Bozen im neuen Jahr wichtig? Im traditionellen „Neujahrsgespräch“ hat Bauernbund-Landesobmann Daniel Gasser dem „Südtiroler Landwirt“ Rede und Antwort gestanden.
Südtiroler Landwirt: Herr Gasser, wir stehen am Beginn eines neuen Jahres, das viele Veränderungen bringen wird – vor allem in den Südtiroler Gemeinden: Was erwarten Sie sich von den Gemeinderatswahlen 2025?
Daniel Gasser: Auch bei den Gemeinderatswahlen ist es natürlich unser Ziel, so viele Männer und Frauen aus dem bäuerlichen Umfeld zu finden und zu motivieren, die sich für die politische Arbeit auf Gemeindeebene zur Verfügung stellen – und dann alles dafür zu tun, dass diese auch den Sprung in den Gemeinderat, den Gemeindeausschuss oder auch in den Bürgermeistersessel schaffen. Es geht um den ländlichen Raum, um Grund und Boden, um die Entwicklung unserer Dörfer und unseres Landes. Da wollen und müssen wir als Bäuerinnen und Bauern auch weiterhin mitreden und mitentscheiden. Denn eins ist klar: Kein Platz in einem Gemeinderat, in einem Gemeindeausschuss und in einem Bürgermeisterbüro wird leer bleiben. Wenn wir nicht dort sitzen, unser Fachwissen einbringen und unsere Standpunkte vertreten, dann werden es andere tun.
Kandidatinnen und Kandidaten zu finden, ist ja Aufgabe der Ortsgruppen. Wie sind die ersten Rückmeldungen? Tun diese sich schwer, geeignete Kandidatinnen und Kandidaten zu finden?
Wenn man in den Ortsgruppen unterwegs ist, dann spürt man überall das Bemühen, geeignete Kandidatinnen und Kandidaten zu finden. Alle haben verstanden, worum es geht. Daher spüre ich in den Ortsgruppen insgesamt auch eine große Motivation und große Zuversicht, genügend Personen zu finden, die sich für diese wichtige Aufgabe zur Verfügung stellen. Dass sich manche Ortsgruppen leichter tun als andere, liegt in der Natur der Sache. Auch wir als Bauernbund haben unsere Unterstützung angeboten und helfen weiter, wenn Bedarf besteht.
Bewegung scheint in den letzten Monaten in das Thema Wolf gekommen zu sein. Wie sieht hier der aktuelle Stand aus und welche Schritte erwarten Sie sich in diesem Jahr?
Es stimmt, mit der Senkung des Schutzstatus in der Berner Konvention ist etwas gelungen, wofür sich vor allem unser EU-Parlamentarier Herbert Dorfmann seit Jahren eingesetzt hat. Das ist ein erster wichtiger Schritt, aber bis wir am Ziel sind und der Wolfsbestand im Alpenraum wirklich reguliert werden kann, haben wir noch einen langen Weg vor uns. Erst muss der Schutzstatus auch in den FFH-Richtlinien gesenkt werden. Dann muss der Staat Italien aktiv werden und einen Wolfsmanagementplan ausarbeiten, der eine Regulierung möglich macht. Hier ist vor allem Senator Meinhard Durnwalder aktiv und bemüht sich unsere Anliegen zu vertreten. Wenn wir dann so weit sind, dass die rechtlichen Rahmenbedingungen in unserem Sinne passen, dann werden auch Entnahmeverordnungen des Landes Südtirol nicht mehr so einfach von Gerichten gekippt werden können, wie das derzeit der Fall ist. Leider ist das Prozedere sehr, sehr langwierig und nicht so einfach, wie sich das manche vorstellen. Aber wir geben ganz gewiss nicht auf, das sind wir unserer Almwirtschaft und unseren Bäuerinnen und Bauern schuldig!
Bleiben wir noch kurz auf der internationalen Ebene: Die neue Agrarpolitik nach 2027 scheint noch weit weg, die Weichen werden aber jetzt schon gestellt. Auf welche Entwicklungen müssen wir uns einstellen, und in welche Richtung sollte sich die GAP aus Sicht des Südtiroler Bauernbundes weiterentwickeln?
Tatsächlich sind wir schon dabei, über die Schwerpunkte der EU-Agrarpolitik nach 2027 zu diskutieren. Einiges wird sich dabei – im Vergleich zur aktuellen Periode – sicherlich ändern. Während es in den vergangenen Jahren viel um Themen wie den „Green Deal“, Klimaschutz, CO2-Einsparung und Ähnliches ging, hat Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen selbst bereits angekündigt, dass die Wettbewerbsfähigkeit der Betriebe in der EU – also auch der landwirtschaftlichen Betriebe – wieder stärker in den Fokus rücken sollte. Die Produktion von Lebensmitteln in Europa für Europa soll gestärkt werden, das Thema Ernährungssicherheit soll eine wesentliche Rolle spielen. Im Alpenraum stehen wir vor der Herausforderung, die klein strukturierte Landwirtschaft besonders zu unterstützen und noch einen Schritt weiterzugehen, um diese Form der Landwirtschaft zu erhalten.
In Rom geht die Regierung von Ministerpräsidentin Giorgia Meloni in die zweite Hälfte ihrer Amtszeit. Wie hat sich die Zusammenarbeit mit der Regierung in Landwirtschaftsfragen entwickelt und was erwartet sich der Bauernbund für die Zukunft?
Den Kontakt zur Regierung in Rom pflegen wir vor allem über unsere Abgeordneten in Rom und über die großen italienischen Bauernverbände, speziell über die Confagricoltura. Vor allem bei der Umsetzung der sogenannten Weideprämie haben unsere Betriebe dabei im vergangenen Jahr durch die Finger geschaut und wesentlich weniger Geld erhalten als erwartet. Das hat uns natürlich geärgert. Wenn man den Versprechungen des Landwirtschaftsministers glauben kann, dann sollte sich das in diesem Jahr ändern. Wie immer in Rom ist das mit den Versprechen jedoch so eine Sache und es ist nicht einfach, die Interessen der klein strukturierten Betriebe geltend zu machen. Wir sind aber ständig in Kontakt mit unseren Abgeordneten und den Verbänden und pflegen auch hier unsere Netzwerke.
Kommen wir nach Südtirol: Ebenso wie Sie ist der neue Landesrat für Land-, Forstwirtschaft und Tourismus, Luis Walcher, seit fast einem Jahr im Amt. Wie sind Sie mit der Zusammenarbeit mit ihm und seinen Mitarbeitern zufrieden?
Der neue Landesrat Luis Walcher war ja bei den Landtagswahlen im Herbst 2023 einer unserer Bauernbund-Kandidaten und wir haben uns vehement dafür eingesetzt, dass er Landesrat für Landwirtschaft wird. Wir sind mit der Zusammenarbeit sehr zufrieden, weil Luis Walcher und sein Mitarbeiterstab stets sehr bemüht sind, sich unseren Standpunkt anzuhören und gemeinsam mit uns nach Lösungen zu suchen. Wir hoffen, dass sich diese Zusammenarbeit auch in Zukunft so gestaltet, denn wenn man Themen gemeinsam angeht, dann bringt das am Ende vor allem den Menschen etwas, für die wir alle arbeiten – unseren Bäuerinnen und Bauern.
Medikamentenregister, Tierwohllabel, Fortbildungen: Vor allem auf die Berglandwirtschaft kommt in den kommenden Monaten und Jahren einiges an Mehraufwand zu. Was kann der Bauernbund tun, um diese Umwälzungen abzufedern?
Ja, vor allem für die Berglandwirtschaft ist es keine leichte Zeit mit einigen Neuerungen. Wir sind bereits seit einiger Zeit dabei, diese Themen so aufzuarbeiten und umzusetzen, dass sie auch für unsere kleinen Betriebe machbar und tragbar sind. Beim digitalen Medikamentenregister ist es der Beratungsring Berglandwirtschaft BRING, der bei Fragen behilflich ist. Aber auch bei der verpflichtenden Tierhalterausbildung haben wir eine gute Lösung gefunden. Ich bin zuversichtlich, dass wir auch beim Tierwohllabel etwas auf die Beine stellen werden, mit dem unsere Leute arbeiten können. Ganz ignorieren können wir diese Entwicklungen leider nicht, aber bestmöglich abfedern.
Große Infrastrukturprojekte – Beispiel Zugverbindung Meran–Bozen, Brennerbasistunnel-Zulaufstrecke, Umfahrungen, Radwege – beanspruchen immer wieder bäuerlichen Grund und Boden. Sind Sie zufrieden damit, wie die Landwirtschaft in diese Projekte eingebunden wird?
Leider erfahren Grundbesitzer eher zufällig über anstehende Projekte und Pläne, die ihren Grund und Boden betreffen. Und wenn sie dann Informationen erhalten, sind sie oft nicht vollständig. Es ist schon klar, dass auch die Planer vielleicht nicht immer von Anfang an über alle Details Bescheid wissen, aber man muss auch die Bäuerinnen und Bauern verstehen. Vor allem in der Talsohle ist der landwirtschaftliche Grund ohnehin knapp. Wenn dann hier und dort immer wieder ein Stück Grund wegkommt, dann geht das an die Existenz der Betriebe. Eine transparente und umfassende Information würde auch helfen, Ängste und Misstrauen bei den Grundbesitzern abzubauen.
Kommen wir abschließend einmal zurück zum Bauernbund: Noch bis Ende Jänner läuft eine Mitgliederbefragung. Werden die Rückmeldungen aus der Basis die Ausrichtung und Schwerpunkte des Bauernbundes wirklich beeinflussen?
Ich kann garantieren, dass das so sein wird. Schon in den vergangenen Jahren hat der Südtiroler Bauernbund die Rückmeldungen seiner Mitglieder sehr ernst genommen und seine verbandspolitische Arbeit danach ausgerichtet. Das wird auch diesmal so sein, deshalb freuen wir uns auf viele konstruktive Rückmeldungen.
Bauernbund-Landesobmann Daniel Gasser ist auch Gast in der ersten Folge des Podcasts „Zuaglost“ im neuen Jahr. Im Gespräch mit „Südtiroler Landwirt“-Chefredakteur Bernhard Christanell erklärt er auch, welche Themen auf Gemeindeebene in den kommenden Jahren wichtig werden und wie es mit dem Höfegesetz und dem geschlossenen Hof weitergehen soll. Abrufbar ist die Folge hier.