Bei der Buchvorstellung: (v. l.) Benedikt Terzer, Roland Norer und Daniel Gasser

„Wir sollten alle Spielräume nutzen“

Rechtsprofessor Roland Norer erläutert rechtliche Möglichkeiten für die Entnahme von Wölfen. Bei der ­Vorstellung seines neuen Buches mit dem Titel „Wolfsmanagement im Alpenraum“ am Sitz des Südtiroler Bauernbundes schlägt ­Norer außerdem Weideschutzzonen für sensible Almen vor.

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SBB Politik

Roland Norer ist Professor für Öffentliches Recht und Recht des ländlichen Raums an der Universität Luzern. In seinem neuen Buch „Wolfsmanagement im Alpenraum“ bietet er einen umfassenden Überblick über die vielfältigen Rechtsfragen, die sich aus der Rückkehr des Wolfs in die alpine Kulturlandschaft ergeben. Das Buch wurde kürzlich am Sitz des Südtiroler Bauernbundes der Öffentlichkeit vorgestellt. Dabei gaben Experten einen Einblick in das Thema Wolf, Norer erläuterte die rechtlichen Möglichkeiten für die Entnahme von Wölfen. Der strenge Schutzstatus des Wolfes ist sowohl in der Berner Konvention als auch in der Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie der Europäischen Union festgeschrieben. Die Europäische Kommission will den Schutzstatus im internationalen Regelwerk senken, um die Regulierung der Wolfspopulationen zu erleichtern. „Das ist ein Hoffnungsschimmer“, sagte Roland Norer bei der Buchvorstellung, „allerdings ist eine solche Änderung eine langfristige Prozedur, die im besten Fall zwei Jahre dauert.“

Es gibt heute schon Spielräume
Norer betont jedoch, dass die EU-Mitgliedstaaten bereits beim aktuellen Schutzstatus mehrere Ansatzpunkte für die Entnahme von Wölfen haben. Denn Artikel 16 der FFH-Richtlinie erlaubt die Entnahme, „sofern es keine anderweitige zufriedenstellende Lösung“ gibt und die Population dennoch in einem „günstigen Erhaltungszustand“ gehalten werden kann. „Die Spielräume auf Länderebene sind vorhanden, und wir sollten sie beherzt nutzen.“ Die Abweichungen von den strengen Schutzregelungen müssten jedoch gut begründet sein. Sie können etwa „zum Schutz der wildlebenden Tiere und Pflanzen sowie zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume“ erfolgen oder „zur Verhütung ernster Schäden insbesondere an Kulturen und in der Tierhaltung“. Auch „im Interesse der öffentlichen Sicherheit“ oder bei „öffentlichem Interesse einschließlich sozialer und wirtschaftlicher Art“ kann eingegriffen werden. Darunter fällt auch der Erhalt der traditionellen Almwirtschaft.  Roland Norer unterstrich, dass Entnahmen nichts Ungewöhnliches sind, sondern fachlich anerkannt werden. „Alle Länder, die Wölfe haben, beginnend mit Frankreich und der Schweiz, regulieren die Wolfsbestände.“

Priorität liegt bei Almschutz
Neben der Einzelentnahme von Problemwölfen und der Bestandsregulierung wies der Rechtsprofessor auf Zonierungen als drittes Instrument des Wolfsmanagements hin. Dabei geht es um die Einrichtung von Weideschutzgebieten zum Schutz empfindlicher Almen. Sie haben einen besonderen gesellschaftlichen und ökologischen Wert und sind zugleich von Wolfsangriffen besonders bedroht. „Hier muss die Interessenabwägung klar zugunsten des Almschutzes ausfallen“, bekräftigt Norer. Indem man sensible Almen, auf denen Herdenschutz nicht möglich oder nicht zumutbar ist, als Weideschutzgebiete ausweist, könnten Entnahmen schneller durchgeführt werden. Auf diesem Ansatz bauen auch das Südtiroler Wolfsgesetz sowie ähnliche Regelungen in Bayern und Österreich auf. Auch Schweden und Finnland nutzen das Instrument der Zonierung zum Schutz ihrer Rentierbestände seit Langem erfolgreich, wie Roland Norer berichtete.

Mehr an die Weidetiere denken
Bauernbund-Landesobmann Daniel Gasser betonte einmal mehr die Dringlichkeit von Maßnahmen zum Schutz der Almwirtschaft. „Der Wolf gehört einfach nicht mehr vollständig geschützt, wir müssen wieder mehr an die Weidetiere denken.“ Geladen war bei der Buchvorstellung auch der Geschäftsführer des Südtiroler Jagdverbandes Benedikt Terzer. Er wies mit Zahlen auf die massiven Unterschiede zwischen den europäischen Ländern hin. Italien sei „Wolfseuropameister“, da es das Land mit den meisten Wölfen in Europa ist, erklärte Terzer. Im Jahr 2021 gab es dort nachweislich 3300 Exemplare, die Wolfspopulationen verdoppeln sich alle drei Jahre. „Dennoch ist Italien der einzige EU-Staat, in dem bislang kein Wolf legal erlegt wurde“, wundert sich Terzer. In Südtirol streiften laut Terzer aktuell über 50 Wölfe umher. „Auf dem gesamten Gebiet der Region Trentino Südtirol sind es 300 Wölfe und damit ebenso viele wie in ganz Finnland.“ 
Ein Video fasst die Aussagen der Buchvorstellung zusammen: https://tinyurl.com/SBB-Norer

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