Der Wolf wird die Südtiroler Land- und Almwirtschaft auch noch in den kommenden Jahren beschäftigen.

„Sind auf langem, steinigem Weg“

Das neue Südtiroler Wolfsgesetz und die dazugehörige Durchführungsbestimmung sind in Kraft – und doch sind beide nur kleine Bausteine auf dem Weg zu einer umfassenden Regulierung des Wolfsbestandes. Ein Interview mit Bauernbund-Direktor Siegfried Rinner.

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Politik Wirtschaft

Eine gehörige Portion Wut, Hoffnung auf die schweigende Mehrheit in der Bevölkerung und ungebrochener Kampfgeist – so lässt sich das Stimmungsbild von Bauernbund-Direktor Siegfried Rinner zusammenfassen, wenn es um das Thema Wolf geht. Im Gespräch mit dem „Südtiroler Landwirt“, dessen Langfassung die aktuelle Folge des Podcasts „Zuaglost“ bildet, schätzt Rinner die aktuelle Lage ein und erklärt, was er sich von der Gesellschaft erwartet.

Südtiroler Landwirt: Fast täglich ist in den Medien von gerissenen Schafen und Kälbern die Rede. Verstehen Sie, dass immer mehr Bauern immer verärgerter darüber sind, dass beim Thema Wolf wenig bis gar nichts weitergeht?
Siegfried Rinner:
Dafür habe ich volles Verständnis. Ich leide mit und verstehe genauso wenig, dass wir uns nicht zur Wehr setzen dürfen. Wenn die Politik und Verwaltung auf allen Ebenen hier nicht wieder ein vernünftiges Maß an Gleichgewicht herstellen, verlieren wir den Glauben an die Politik, die Verwaltung, die Gerichtsbarkeit und schlussendlich den Glauben an das demokratische System. Das demokratische System muss nämlich auch die Minderheiten schützen, sonst ist es keine Demokratie. Die schweigende Mehrheit wird sich für eine Seite entscheiden müssen: entweder für die Alpen als Kultur und Lebensraum oder als Wildnis, in der der Mensch nichts mehr verloren hat und als Störenfried gesehen wird.

In den Sozialen Medien machen viele Bäuerinnen und Bauern ihrem Ärger Luft – indem sie der Politik, aber unter anderem auch dem Südtiroler Bauernbund Untätigkeit vorwerfen. Was entgegnen Sie diesen Menschen?
Auch dafür habe ich vollstes Verständnis, und es ist mehr denn je notwendig, laut zu sein, damit die schweigende Mehrheit aufwacht. Das gelingt auch durch Bilder, die eben brutal sind, aber genau das tagtägliche Leiden der Tiere und der Menschen zeigen. Gegen diese Kraft der realen Bilder können die „Wolfskuschler“ nicht ankommen. Der Bauernbund kämpft seit Anfang an der Seite der Berg- und Almbauern – und hat das auch schon dann getan, als es in Südtirol noch wenige Risse gab und viele Bauern dieses Thema noch nicht interessiert hat. Unsere jüngste Umfrage zeigt: Den Südtirolern und Südtirolerinnen ist eine lebendige Almwirtschaft lieber als eine Wildnis mit Wölfen und Bären. Leider haben wir diese Mehrheiten nur in Südtirol und nicht auch in Italien und der EU. Aber die Stimmung verändert sich. Wir müssen – gemeinsam mit den Bauern und Bäuerinnen – an diesem Meinungsumschwung arbeiten!

Was bedeutet die neue Regelung mit der Ausweisung der Weideschutzgebiete für die Zukunft auf Südtirols Almen? Warum ist es so schwierig, zu einem Wolfsabschuss zu kommen?
Wir können uns als Bauernbund nur im Bereich des geltenden Rechts bewegen. Die Grundlage für den absoluten Schutz des Wolfes ist eine EU-Richtlinie aus dem Jahr 1992. Diese Richtlinie sieht aber auch Ausnahmen und die Möglichkeit der Entnahme von geschützten Tieren vor. Dafür müssen aber im Wesentlichen drei Voraussetzungen gegeben sein: Erstens muss der Bestand des Wolfes in einem befriedigenden Zustand sein, sodass eine Entnahme keine Auswirkungen auf den Erhalt der Art hat. Zweitens muss es einen beträchtlichen Schaden an der Landwirtschaft gehen – beim Wolf sind das sicherlich die Risse der Weidetiere. Drittens darf es keine andere Möglichkeit geben, um den Schaden zu verhindern. Erst dann ist in letzter Konsequenz ein Abschuss von schädlichen Tieren möglich. Bisher war es so, dass die staatliche Umweltbehörde ISPRA bestätigen musste, dass diese drei Voraus­setzungen gegeben sein müssen. Es gab Anträge für einen Wolfsabschuss der Provinz Bozen, aber die ISPRA hat nie bestätigt, dass die genannten drei Voraussetzungen gegeben sind, und daher ist es auch nie zu einem Abschussdekret gekommen.
Mit dem neuen Wolfsgesetz wird jetzt viel genauer definiert, was die Voraussetzungen für den Abschuss sind. Wir sagen jetzt, wie viele Tiere gerissen werden müssen, damit ein großer Schaden vorliegt. Wir sagen mit dem Gesetz, dass der gute Erhaltungszustand des Wolfes erfüllt ist, weil Italien selbst dies an die EU im jährlichen Bericht gemeldet hat. Und wir sagen, dass aufgrund der geo­grafischen Gegebenheiten eine Einzäunung auf den allermeisten Almen nicht umsetzbar ist und es damit keine andere Maßnahme als den Abschuss gibt, um die Schäden zu verhindern oder zumindest zu verringern. Jetzt haben wir endlich wieder die Möglichkeit, zu handeln!

Den ganzen Bericht finden Sie ab Freitag in der Ausgabe 15 des „Südtiroler Landwirt“ vom 1. September ab Seite 15, online auf „meinSBB“ oder in der „Südtiroler Landwirt“-App.

Bernhard Christanell

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