Herbert Dorfmann hat sich in Brüssel und Straßburg längst einen Namen gemacht und ist sehr gut vernetzt.

„Ohne gutes Netzwerk geht gar nichts!“

Nach 15 Jahren als Abgeordneter im EU-Parlament hat sich Herbert Dorfmann ein großes Netzwerk aufgebaut und ist ein gefragter Ansprechpartner, nicht nur bei Landwirtschaftsthemen. Der „Südtiroler Landwirt“ hat sich mit ihm ausführlich unterhalten.

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Politik

Ende April hat das EU-Parlament seine Tore für die laufende Amtszeit geschlossen, jetzt befindet sich ein großer Teil der Abgeordneten im Wahlkampf und in gespannter Erwartung der anstehenden Wahlen am zweiten Juni-Wochenende. Auch der Südtiroler EU-Parlamentarier Herbert Dorfmann ist in diesen Wochen viel in Südtirol unterwegs. Er stellt sich erneut der Wahl zum EU-Parlament und spricht in der aktuellen Folge des Podcasts „Zuaglost“ über seine Erfahrungen aus der vergangenen und die Erwartungen an die kommenden fünf Jahre in Brüssel und Straßburg. Hier eine Zusammenfassung des Gesprächs.

Südtiroler Landwirt: Ihre dritte Amtszeit als EU-Parlamentarier ist zu Ende. Wie blicken Sie auf die vergangenen fünf Jahre zurück – verglichen auch mit den vorhergehenden Amtsperioden?
Herbert Dorfmann:
Für mich war die abgelaufene Amtsperiode eine ganz besondere Erfahrung, weil ich zum ersten Mal die Chance hatte, für meine Fraktion – die Europäische Volkspartei – Agrarsprecher zu sein, was eine spannende und interessante  Aufgabe war. Wir haben im Grunde zu viert die EU-Agrarpolitik im Parlament maßgeblich mitbestimmt und wichtige Entscheidungen  für die Agrarpolitik getroffen: Das waren der Vorsitzende des Agrarausschusses, ein Parteikollege von mir, meine beiden Kolleginnen aus den Fraktionen der Sozialdemokraten und der Liberalen und ich.

Können Sie uns einige dieser wichtigen Themen nennen, die in den vergangenen fünf Jahren anstanden?
Nach der EU-Agrarreform waren dies eine ganze Reihe schwieriger und umstrittener Dossiers: Pflanzenschutz, Naturwiederherstellung, Entwaldung – um nur einige zu nennen. Es ging viel um Umweltschutz und Naturschutz, also Bereiche, die die Landwirtschaft natürlich direkt betreffen. Wir haben eine neue EU-Agrarpolitik auf die Beine gestellt, die vor allem auch für Südtirol einiges Positives bewirkt hat, denken wir nur an die Verlagerung der Direktzahlungen in Richtung der kleineren und benachteiligten Betriebe. Auch am Prinzip des „Green Deal“ ist ja nichts auszusetzen: Es ist notwendig und sinnvoll, Maßnahmen zur Eindämmung des Klimawandels zu ergreifen, das ist vor allem auch im Interesse der Landwirtschaft. Vor allem in den vergangenen Jahren ging es aber leider vermehrt darum, bei der Umsetzung des „Green Deal“ ideologisch gefärbte Verordnungen und Regelungen abzuwenden, die die Landwirtschaft in Europa in eine falsche Richtung gebracht hätten. Diese Entwicklungen abzuwenden, ist uns dann zwar gelungen, aber es ist eigentlich nicht meine Art, Politik zu machen. Ich bin jemand, der lieber gestaltet als dass er verhindert.

Gerade aus einem kleinen Land wie Süd­tirol wirkt das EU-Parlament weit weg und es stellt sich die Frage, was ein einzelner Südtiroler unter 705 Abgeordneten dort alleine bewirken kann. Wie setzt man sich im EU-Parlament durch?
Im Grunde ist jeder und jede Abgeordnete, der oder die neu ins EU-Parlament kommt, ein Einzelkämpfer. Es geht in erster Linie darum, sich ein Netzwerk zu schaffen, in dem er agiert und seine Anliegen weiterzubringen versucht. Politik, egal auf welcher Ebene, funktioniert immer in Netzwerken. Wer glaubt, alles alleine machen zu können, wird nicht weit kommen, ohne gutes Netzwerk geht gar nichts! Als Agrarsprecher der größten Fraktion im Parlament hatte ich eine große Verantwortung, aber auch die Gewissheit im Plenum der 705 Abgeordneten 180 hinter mir zu haben. Auf die Landwirtschaft bezogen, besteht unsere Aufgabe im Parlament darin, Berggebiete und andere Gebiete gegenüber Gebieten in Gunstlagen zu vertreten. Mit diesem Anliegen bin ich in meiner Fraktion nicht allein. Wer mich im EU-Parlament und in der Brüsseler Szene kennt, weiß, woher ich komme, welche Positionen ich vertrete und vor allem auch, dass ich mich mein ganzes Leben lang mit Landwirtschaft beschäftigt habe und etwas von der Materie verstehe. Es gibt in der Politik genug Leute, die viel reden, aber relativ wenig Ahnung von der Materie haben. Ich denke schon, dass meine Kolleginnen und Kollegen im EU-Parlament wissen, dass ich nicht zu dieser Sorte Politiker gehöre ...

Zurück zu den Themen der letzten Jahre. Wie ist es denn dazu gekommen, dass ein eigentlich guter „Green Deal“ zu etwas geworden ist, das für so massive Kritik bei den Vertretern der Landwirtschaft gesorgt hat?
Das lag vor allem an der Person des zuständigen Kommissars Frans Timmermans, der – auch unter dem Einfluss von Nicht-Regierungsorganisationen aus dem links-grünen Lager – Vorschläge zur Reduzierung von Pflanzenschutzmitteln und zur Naturwiederherstellung vorgelegt hat, die salopp gesagt auf keine Kuhhaut gepasst haben und auch wissenschaftlich schlecht gemacht waren. Diese Vorschläge haben wir weitestgehend abwenden können: Die Verordnung zu den Pflanzenschutzmitteln haben wir im Parlament abgelehnt, worauf sie die Kommission zurückgezogen hat. Die Regelungen zur Naturwiederherstellung haben zwar eine hauchdünne Mehrheit erhalten, würden in dieser Form für die Landwirtschaft in Süd­tirol kaum eine Gefahr darstellen. Jetzt liegt der Ball bei den Mitgliedstaaten, diese verstehen immer mehr, dass diese Verordnung massiv in die Zuständigkeiten der einzelnen Staaten eingreifen würde. So wie es derzeit aussieht, wird es für den Vorschlag des Parlaments im Europäischen Rat keine Mehrheit geben. Gerade diese Diskussionen haben aber wieder gezeigt, wie wichtig es ist, in den EU-Gremien auf gute Netzwerke zählen zu können.

Gerade die Mitgliedstaaten haben ja auch großen Einfluss darauf, in welche Richtung sich die Politik der EU-Kommission entwickelt. Wie groß sind die Chancen, dass es in der kommenden Amtsperiode in eine Richtung geht, die solche Entwicklungen wie in den vergangenen Jahren vermeidet?
Die Chancen dafür stehen sehr gut, denn die Mitglieder der EU-Kommission werden ja von den jeweiligen Regierungen der Mitgliedstaaten bestimmt. Und hier wissen wir schon heute, dass sich die Kommission in Zukunft weit wenig links geprägt präsentieren wird. Denken wir nur an die Regierungen in Italien, aber auch in Ländern wie Schweden, Finnland, Portugal oder Luxemburg. Auch im Parlament sieht es laut Prognosen danach aus, dass es in Richtung Mitte-rechts gehen wird. Es ist auch für die Landwirtschaft gut, wenn wir ein bürgerlicher geprägtes Parlament haben.

Ganz aktuell ist die Entscheidung des Parlaments, der sogenannten Saatgutverordnung zuzustimmen. Hierzulande haben vor allem die Bäuerinnen diese Entscheidung sehr begrüßt. Worum geht es dabei und wie geht es nun weiter?
In dieser Verordnung geht es zum einen um zertfiziertes Reproduktionsmaterial, also beispielsweise um Jungbäume. Hier würde die Verordnung, über die nun im Trilog mit dem Rat und der Kommission noch diskutiert werden muss, für mehr Sicherheit sorgen. Das ist auch für unsere Südtiroler Bauern wichtig, denn sie sollen Gewissheit haben, dass das Pflanzmaterial, das sie kaufen, dem entspricht, was sie sich vorstellen. Auf der anderen Seite haben sich bislang alle kleinen Produzenten von lokalem Saatgut, zu denen bei uns ja vor allem die Bäuerinnen gehören, in einer Graubereich bewegt, was die Weitergabe dieses Saatgutes anbelangt. Auch für sie soll die Verordnung mehr Rechtssicherheit bringen und diese Weitergabe ohne Risiko ermöglichen.

Gegen die EU zu schimpfen, ist längst eine Art Volkssport geworden. Zurzeit gibt es massive Kritik an der EU-Entwaldungsverordnung, die angeblich massiv mehr Bürokratie bringen soll. Was ist an diesem Vorwurf dran und wie konnte es zu so einer Verordnung kommen?
Ich denke, man sollte nicht immer gegen die EU schimpfen, aber wenn sie es sich verdient, schon. Die Entwaldungsverordnung ist leider ein weiteres Beispiel dafür, wie eine eigentlich sinnvolle Idee in der Umsetzung zu Problemen führt. Gedacht war die Verordnung vor allem dazu, bei einzelnen Produktgruppen, die in die EU importiert werden, sicherzustellen, dass für ihre Herstellung keine Wälder großflächig gerodet wurden. Bei der Umsetzung geht es nun darum, dass die Grundsätze der Verordnung auch innerhalb der EU gelten sollen, allerdings nur in Gebieten und Ländern, in denen eine Risikoabwägung ein hohes Gefahrenpotenzial ergeben hat. Leider haben manche das mit der Abwägung wohl übersprungen und wollen die Regeln nun auch dort umsetzen, wo es nachgewiesenermaßen eine nachhaltige Waldbewirtschaftung gibt. Es wird eine der ersten Aufgaben des neuen EU-Parlaments und der neuen Kommission sein, dies wieder ins richtige Lot zu rücken.

Bleiben wir beim Thema EU-Kritik: Wie nachvollziehbar ist es für Sie, dass in den vergangenen Monaten in ganz Europa Bäuerinnen und Bauern auf die Straße gegangen sind und gegen die EU-Politik protestiert haben?
Teilweise kann ich das sehr gut nachvollziehen, vor allem wenn die Forderung darin besteht, dass mehr von der Wertschöpfung aus bäuerlichen Produkten bei den Bauern selbst ankommen muss. Die Einkommenssituation ist für viele Familien aus dem ländlichen Raum tatsächlich sehr kritisch. Kein Verständnis habe ich dafür, wenn dann vor allem jene auf die Straße gehen, die in den vergangenen Jahrzehnten massiv von hohen Direktzahlungen profitiert haben und die – weil wir eben die Schwerpunkte anders gesetzt haben - jetzt draufzahlen. Die Entscheidung, hier etwas zurecht zu rücken und kleinere Betriebe stärker zu unterstützen, war politisch gewollt und ist gut so.

Auch das Thema Großraubwild – für Südtirol vor allem der Wolf – ist ein Punkt, bei dem der EU oft der Schwarze Peter zugeschoben wird. Wie ist die Stimmung diesbezüglich zurzeit?
Gerade in diesem Punkt hat sich in den vergangenen Jahren die Stimmung spürbar verändert... Das gesamte Interview finden Sie ab Freitag in der Ausgabe 9 des „Südtiroler Landwirt“ vom 10. Mai ab Seite 4, online auf „meinSBB“ oder in der „Südtiroler Landwirt“-App.

Im EU-Parlament stehen auch in den kommenden Jahren wichtige Entscheidungen an.

Bernhard Christanell

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