Der älteste landwirtschaftliche Fachverein Südtirols, der Wein-, Obst- und Gartenbauverein Bozen, bei einer Lehrfahrt nach Mantua.

140 Jahre Gartenbauverein Bozen

Kaum jemand kennt ihn, dabei ist er der „älteste landwirtschaftliche Fachverein Südtirols“: Die Rede ist vom Wein-, Obst- und Gartenbauverein Bozen, der in diesem Jahr sein 140-jähriges Bestehen feiert. Seine wechselhafte Geschichte sei im Folgenden kurz erzählt.

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Leben

Mit der Bezeichnung „Wein-, Obst- und Gartenbauverein Bozen“ können die meisten in Südtirol wenig anfangen. Doch wenn man bedenkt, dass im 19. Jahrhundert sämtliche Südtiroler Subventionsansuchen an das k. k. Ackerbauministerium in Wien über seine Vorgängervereine abgewickelt wurden, erhält dieser Verein seine berechtigte Aufmerksamkeit. Er musste zwar immer wieder seinen Namen ändern, doch verfolgte er stets dasselbe Ziel, nämlich die „Hebung und Wertschätzung der Landwirtschaftskultur“. Der erste Vorgängerverein war der „Filialverein Bozen“ der k. k. Landwirtschaftsgesellschaft für Tirol und Vorarlberg. Wie wichtig er war, beweist die Tatsache, dass die erste Generalversammlung im Juli 1839 im damals noch kaum 7000 Einwohner zählenden Bozen unter dem Vorsitz von Erzherzog Johann von Österreich stattfand. In den folgenden Jahren bezogen einige Mitglieder für Anbauversuche die Blaue Bordeauxrebe und die Malagatraube, Rheinriesling und Sylvaner. Auch wurde erstmals im Bozner Gebiet die Runkelrübe angepflanzt. 1851 fiel mit dem Mehltau die größte Krise über den Südtiroler Rebbau herein. Als Retter aus dieser Not gilt der „Schwefelapostel“ Ludwig von Comini, selbst Mitglied des Filialvereins.
1852 gab Erzherzog Rainer den Anstoß für jährlich zwei Ausstellungen in Bozen: eine erste im Mai für Blumen und Gemüse, eine zweite im September für Obst und Wein. Der beliebte Blumenmarkt am 1. Mai auf dem Waltherplatz geht auf diese Initiative zurück. Der Filialverein verfügte auch über eine Baumschule: Im „Verzeichniß aller Obstsorten“ reichten die Katalognummern bei Äpfeln und Birnen bis 371 (!). Der Verein organisiert in den 1860er- und 1870er-Jahren große „Früchteausstellungen“, 1864 sogar eine „Ausstellung von Kunst­gegenständen, Früchten und Weinen“.

Der „Landwirthschaftliche ­Bezirksverein Bozen“
Vorgänger Nummer zwei war der „Landwirthschaftliche Bezirksverein Bozen“ (1868–1870). Die Umbenennung erfolgte wegen des sogenannten „Vereinsgesetzes“ von 1867. Interessanterweise wurde besonderes Augenmerk auf die Berglandwirtschaft gerichtet und nicht nur, wie bisher, auf Wein- und Obstbau. Zudem wurde weniger auf das überlieferte Wissen der Bauern gesetzt, sondern mehr auf „die Verbesserung der Landwirthschaft durch besseres Studium von gedruckten Hilfsmitteln“. Die neue Bezeichnung war von kurzer Dauer, denn auf Druck des Ministeriums in Wien sollte bald ein Zusammenschluss des „Bezirksvereines“ mit dem in Bozen neu entstandenen „Gartenbauverein“ erfolgen. Also beschlossen die beiden rivalisierenden Vereine, nolens volens, zu fusionieren. So entstand 1870 als Vorgänger Nummer drei der „Landwirthschafts- und Gartenbauverein Bozen“. 1873 beteiligte sich der Verein an der über 200 Hektar großen Weltausstellung in Wien mit einer „eigenen Kollektion aus den Gebirgszonen Deutsch-Südtirols“. Die Wiener Ausstellung wurde von über sieben Millionen Menschen besucht.

Der „Wein-, Obst- und ­Gartenbauverein Bozen“
1881 wurde in Innsbruck der Landeskulturrat eingerichtet, als Folge mussten alle landwirtschaftlichen Vereine Tirols in Genossenschaften und Spezialvereine umgewandelt werden. So beschloss die außerordentliche Hauptversammlung im Oktober 1884, den Namen „Wein-, Obst- und Gartenbauverein Bozen“ (WOGV) anzunehmen und dass der Ausschuss bis zur nächsten Jahreshauptversammlung bestehen bleiben sollte. Fazit: Der neue Verein blieb der alte Verein. Bereits zwei Jahre nach der Gründung konnte der WOGV einen Glanzpunkt in seiner Tätigkeit setzen: In Bozen fand nämlich von 19. bis 30. September 1886 der III. Österreichische Weinbaukongress statt, der Verein organisierte dazu eine Ausstellung landwirtschaftlicher und önologischer Maschinen und Geräte. 1894 beteiligte sich der Verein sogar an der internationalen Obst- und Gartenbauausstellung in St. Petersburg.
1910 beschloss der Verein, ein neues Grundstück nicht mehr zu pachten, sondern zu kaufen: 11.620 Quadratmeter zum Preis von 8500 Kronen. Der Vereinsgarten lag südlich der heutigen Einsteinstraße, in der Nähe des Bozner Flugplatzes. Mit ihm wurde die Voraussetzung geschaffen, praktische Übungen im Baumschnitt und Versuche in der Schädlingsbekämpfung durchzuführen und neue Obstsorten zu testen.
1922 übernahm der Faschismus in Italien die Macht. Für den Bau der Industriezone in Bozen wurden von der neuen Regierung kurzerhand „über 300 Hektar blühender Obstwiesen enteignet, fünfzigtausend Obstbäume und Tausende von Rebstöcken vernichtet“ (Beikircher/v. Walther).
Im Juni 1939 begann die sogenannte „Option“, die die Südtiroler vor die Zwangswahl stellte: Entweder Annahme der deutschen Staatsbürgerschaft mit Abwanderung ins Deutsche Reich oder Beibehaltung der italienischen Staatsbürgerschaft, aber „mit der Drohung, dass sie dann keinerlei Schutz mehr für ihr Volkstum in Anspruch nehmen können“. Dieses leidvollste Kapitel Südtirols erfasste auch den WOGV. So beschloss der Ausschuss, dass im neuen Siedlungsgebiet des Deutschen Reiches ein neuer Wein-, Obst- und Gartenbauverein gegründet werden solle. Von den 144 Mitgliedern bekräftigten 102 „Volksdeutsche Vereinsmitglieder“ per Unterschrift ihren Abwanderungswillen. Das wichtigste Dokument aus der Optionszeit ist jedoch der beschlossene Verkauf des Vereinsgartens. Glücklicherweise kam die Umsiedlung bald ins Stocken und hörte im Jahr 1943 beinahe ganz auf. Am 29. März 1944 wurden das Vereinsbüro im Post-Hotel Erzherzog Heinrich in der heutigen L.-da-Vinci-Straße bei einem Fliegerangriff der Alliierten beschädigt und verschiedene Akten zerstört.

Fachschule und Versuchszentrum Laimburg entstehen
Nach dem Krieg nahm der Verein seine Tätigkeit wieder voll auf, es wurden Fachreferate, Tagesreisen und Lehrfahrten organisiert. Bereits 1967 ging jedoch eine Ära des Wein-, Obst- und Gartenbauvereins zu Ende, denn bei der Generalversammlung stellte Obmann Anton Gadner fest, dass „die Existenz des Vereinsgartens als Versuchsgarten nicht mehr berechtigt ist, weil sich die Landes-Obst- und Weinbauschule Laimburg dieser Aufgabe widmet“. Acht Jahre später kündigte Gastreferent Hermann Mantinger an, dass in absehbarer Zeit ein landeseigenes Versuchszentrum errichtet werden sollte.

Gesellschaftliche und soziale Funktion
Seit dieser „Entbindung“ von der Versuchs- und Forschungstätigkeit erfüllt der Wein-, Obst- und Gartenbauverein Bozen vor allem eine gesellschaftliche und soziale Funktion. So gibt er Beihilfen an bedürftige Schülerinnen und Schüler landwirtschaftlicher Fachschulen, an den Bäuerlichen Notstandsfonds, für landwirtschaftliche Frauen-Projekte in Uganda und hilft über den Vinzenzverein notleidenden Menschen. Eine besondere Verantwortung trägt der Verein für sein umfangreiches Archiv (seit 1839), denn es „stellt einen wichtigen Bestand zur Geschichte des Südtiroler Obstbaues dar“ (Dr. Hannes Obermair) und wurde vor einigen Jahren dem Bozner Stadtarchiv übergeben. Der mustergültig angelegte Vereinsgarten wird von Geschäftsführer Erwin Rottensteiner-Hörwarter betreut. Die Tagesfahrten im Frühling, Sommer und Herbst haben nichts an Beliebtheit eingebüßt. Auch die mehrtägigen Lehrfahrten sind stets ausgebucht. Der Verein zählt heute 200 Mitglieder aus 13 Südtiroler Gemeinden, vor allem aus Bozen und Kaltern.

Rudi Gamper

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