Vom Bauern auf die Teller der Gäste
Der Gast will Südtirol mit allen Sinnen erleben – also auch schmecken. Gerade in Hotellerie und Gastronomie gibt es aber noch Aufholbedarf im Hinblick auf Regionalität auf dem Teller. Das muss sich ändern, hieß es bei der Eröffnung von „Gustoso“, einem Event im Gustelier in Bozen.
Es gibt erste Schritte in die richtige Richtung, insgesamt ist noch sehr viel Luft nach oben in der heimischen Gastronomie und Hotellerie, was regionale Produkte anlangt: Aus diesem Grund hat das Gustelier des Hoteliers- und Gastwirteverbandes (HGV) eine neue Fachveranstaltung ins Leben gerufen: „Gustoso“ fand erstmals am 19. November statt und brachte heimische Produktionsbetriebe – darunter viele Direktvermarkterinnen und Direktvermarkter – mit Gastwirtinnen, Gastwirten und Küchenchefs zusammen. Über 150 Köchinnen und Gastronomen nutzten die Gelegenheit, über 50 Südtiroler Produzenten kennenzulernen, mit ihnen Gespräche zu führen und vor allem ihre Produkte zu verkosten und die Geschichten dahinter zu erfahren.
Traditionelle Gerichte neu interpretieren
Im Rahmenprogramm der Veranstaltung schwor Gastreferent Dominik Flammer, Autor und Essensforscher aus der Schweiz, auf Regionalität ein. Dabei unterstrich er: Regionalität dürfe nicht zu eng gesehen werden, man müsse traditionelle Gerichte auch neu interpretiert und mit Kreativität auf die Teller bringen. Dafür brauche es weder Austern noch Gänsestopfleber. Aber ein „Schlutzer“ könne auch mal mit etwas Ausgefallenem gefüllt sein, es müsse nicht bei der klassischen Topfen-Spinat-Füllung bleiben. Wichtig sei, so Flammer, dass man sich als Küchenchef einen Kreis an Produzenten zulege, mit denen man gut zusammenarbeiten könne und die einen mit dem beliefern würden, was man so brauche. „Wenn sich Koch und Bauer, Köchin und Bäuerin auf Augenhöhe begegnen, kann daraus eine gewinnbringende Zusammenarbeit für beide Seiten werden“, zeigte er sich überzeugt. Auf diesem Weg hat Flammer selbst viele Kooperationen zwischen Tourismus und Landwirtschaft in der Schweiz in die Wege geleitet.
Besonders beim Frühstück noch Aufholbedarf
Er ist überzeugt, dass Gäste, die nach Südtirol kommen, das auf dem Teller haben möchten, was hier wächst und produziert wird. Teilweise gelinge das schon recht gut, vor allem beim Frühstück sieht Flammer aber noch viel Aufholbedarf: „Wenn ich beim Frühstück im Südtiroler Sternehotel wählen kann zwischen Ananas-, Maracuja- und Mangosaft, dann stimmt etwas nicht“, meinte er. Wo es doch regionale Säfte gebe, die genau das widerspiegeln, was die Landschaft Südtirols darstellt. Regionales Essen, meinte der Spezialist für Kulinarik, dürfe auch einfach sein: „Wenn die Produkte höchste Qualität haben, ergibt sich aus der Kombination eine Geschmacksexplosion“, meinte er.
Zusammenarbeit ist Anpassungsprozess
Über ihre Erfahrungen in der Zusammenarbeit berichteten Sternekoch Herbert Hintner und Gemüsebauer Harald Gasser am Vormittag und am Nachmittag Karl Oberhollenzer, Geschäftsführer von Wippland, Foodscout Markus Mair am Tinkhof und Metzgermeister Alexander Holzner. Herbert Hintner hat bereits vor vielen Jahren damit begonnen, mit verschiedenen Bauern und Direktvermarktern zusammenzuarbeiten. Das sei zwar nicht einfach, meinte er, aber ein Gewinn für beide Seiten. Harald Gasser ist einer der ersten Bauern, mit denen Hintner die Zusammenarbeit gesucht hat: Es sei für beide Seiten ein Reifeprozess gewesen, meinten sie. Gasser gab zu: „Anfangs habe ich einfach das produziert, was auf meinem Hof in Barbian gut funktioniert hat und was mir selbst schmeckte.“ Das habe aber nicht gut funktioniert, denn der Koch habe sich so ganz auf sein etwas einseitiges Angebot einstellen müssen. Langsam habe man sich aber aneinander gewöhnt und in Gesprächen und Verhandlungen einen Weg gefunden, der für beide gangbar und auch wirtschaftlich sinnvoll sein konnte: Inzwischen planen sie gemeinsam, was angebaut wird.
Menügestaltung angepasst
Die Umstellung auf regionale Lebensmittel sei in der Küche eine Herausforderung, gab Hintner zu. Vor allem im Winter müsse man weitgehend auf Frisches verzichten und dafür auf Konserviertes setzen, das man während der erntereichen Monate im Sommer und Herbst haltbar gemacht hat. Aber auch das habe seinen Reiz. Dem Kunden müsse man es aber erst erklären. Dasselbe gelte auch für die Menügestaltung mit Fleisch: „Die Gäste müssen erst verstehen, dass man nicht immer Karee oder Filet haben kann.“ Im Gegenteil, wenn das ganze Tier verwertet werden soll – und das sei der Anspruch –, dann gebe es viel mehr „unedle“ Teile, die man auf den Teller bringen müsse. Eine Herausforderung für den Küchenchef, aber schlussendlich eine absolute Bereicherung – für den Küchenchef wie für die Gäste. Zum Schluss appellierte Herbert Hintner noch an seine Kolleginnen und Kollegen im Publikum und warb um mehr Ehrlichkeit bei der Herkunftskennzeichnung.
Austausch weiter intensivieren
Manfred Pinzger, Präsident des Hoteliers- und Gastwirteverbands HGV, eröffnete als Gastgeber die Veranstaltung „Gustoso“ und erklärte ihr Ziel: Regional einkaufen bedeutet, sich mehr Zeit für die Lieferanten nehmen zu müssen, Gespräche zu führen, Produkte zu verkosten und die Logistik zu klären. „Das neue Eventformat bietet nun die Möglichkeit, an einem zentralen Ort viele Südtiroler Produzenten zu treffen, die Qualitätsprodukte herstellen und daran interessiert sind, Kunden in der Gastronomie zu beliefern und Partnerschaften einzugehen.“ Landesrat Luis Walcher unterstrich: „Es sind die Menschen, auf die es ankommt. Wenn sich Gastronomen, Köchinnen, Hoteliers und bäuerliche Produzentinnen und Produzenten austauschen, gewinnen am Ende alle, die an der Wertschöpfungskette beteiligt sind. Nicht zuletzt Einheimische und Gäste, die sich auf kulinarische Erlebnisse mit qualitativ hochwertigen regionalen Produkten freuen dürfen.“
„Zwischen Gastronomie und der Landwirtschaft gibt es bereits einen regen Austausch“, meinte Bauernbund-Landesobmann Daniel Gasser. Trotzdem gelte es, weiter daran zu arbeiten: „Dieser Austausch muss gestärkt werden, weil auf beiden Seiten viel Potenzial steckt. Mit ,Gustoso‘ gibt es nun eine weitere Möglichkeit, um Partnerschaften zu knüpfen.“ Ebenso wichtig sei es, regionale Zusammenarbeit zu kommunizieren und den Gästen die Herkunft der Produkte transparent zu kommunizieren.