„Größte Gefahr ist die Auflassung“
Der Südtiroler Bauernbund erneuert seine Kritik an der geplanten Neuregelung der Gülle-Ausbringung in den Natura-2000-Gebieten. Diese Gebiete seien vor allem deshalb ökologisch wertvoll und damit schützenswert, weil sie seit jeher von den Bäuerinnen und Bauern mustergültig bewirtschaftet werden.
Bauernbund-Landesobmann Daniel Gasser will das über die Medien vermittelte Bild zurechtrücken: „Wir sind überzeugt, dass die Lebensräume in einem weitaus besseren Zustand sind, als es zuletzt von einigen Seiten dargestellt wurde.“ Sehr viele der Bergwiesen in den Natura-2000-Gebieten würden vorbildlich bewirtschaftet. Ihr guter Zustand sei in erster Linie der engagierten Bewirtschaftung durch die Südtiroler Bäuerinnen und Bauern zu verdanken. In der Diskussion werde jedoch – so kritisiert Gasser – ein entscheidender Aspekt weitgehend ignoriert: die aufgegebenen und nicht mehr bewirtschafteten Flächen. „Werden Flächen nicht mehr bewirtschaftet, hat dies einen hohen Verlust an Biodiversität zur Folge. Gerade in hoch gelegenen Natura-2000-Gebieten stellt dies eine weitaus größere Gefahr dar als eine vermeintlich zu intensive Nutzung“, warnt Gasser. Der Bauernbund-Landesobmann erneuert daher seine Kritik an der geplanten Neuregelung der Gülle-Ausbringung in den Natura-2000-Gebieten: „Neben der inhaltlichen Kritik sind wir auch mit der Vorgehensweise der zuständigen Landesabteilung nicht einverstanden. Die vorgeschlagene Neuregelung wurde ohne vorherige Einbindung der betroffenen Gemeinden und Grundeigentümer genehmigt. Transparenz sieht anders aus!“
Vorhandene Instrumente und Regeln anwenden
Werde bei der Ausbringung von Gülle übertrieben, müsse eingeschritten werden, betont Gasser. Bereits der geltende Natura-2000-Beschluss von 2016 sehe dafür ein Monitoring sowie Düngepläne vor. „Das zuständige Landesamt hätte also die Instrumente an der Hand, um das Verschlechterungsverbot in den Natura-2000-Gebieten zu gewährleisten. Diesen Beschluss tragen wir ausdrücklich mit“, erinnert der Bauernbund-Obmann.Viehbesatz und Gülleausbringung sind in den Natura-2000-Gebieten gesondert geregelt. Doch auch außerhalb dieser Schutzgebiete sorgen gesetzliche Vorgaben wie der Höchstviehbesatz und die Gewässerschutzrichtlinie für eine bedarfsgerechte Düngung. Besonders hervorzuheben ist das seit fünf Jahren geltende Prinzip der flächengebundenen Milchwirtschaft in Südtirol. Dieses reduziert den Viehbesatz nochmals und passt ihn an die verfügbaren Flächen des jeweiligen Hofes an. „Die flächenbezogene Milchviehhaltung ist ein Alleinstellungsmerkmal der Südtiroler Milchwirtschaft“, erklärt Gasser. In vielen anderen Regionen Europas werde Milchviehhaltung hingegen völlig unabhängig von den verfügbaren Flächen betrieben.
Viehbesatz seit Jahren stark rückläufig
Mit Unverständnis reagiert der Südtiroler Bauernbund deshalb auf die pauschale Kritik am Viehbesatz. Die Zahlen sprechen eine andere Sprache: In den vergangenen 20 Jahren ging der Rinderbestand in Südtirol um 18 Prozent zurück, während die Zahl der milchproduzierenden Betriebe um mehr als ein Drittel sank. Zudem reduzierte sich die produzierte Milchmenge in den letzten fünf Jahren um zehn Prozent – das belegen Daten aus der Landwirtschaftszählung und vom Sennereiverband Südtirol. „Das größte Problem ist der Rückgang der Milchviehbetriebe“, warnt Gasser abschließend. „Damit einher geht die Aufgabe wertvoller Flächen, insbesondere in schwierig bewirtschaftbaren, aber ökologisch umso wertvolleren Gebieten. Werden Wiesen nicht mehr gemäht, wachsen sie zu und die Artenvielfalt nimmt dramatisch ab.“
Kritik auch im Landesbauernrat
Auch in der jüngsten Sitzung des Landesbauernrates war das Thema Natura 2000 und die geplante Neuregelung der Gülle-Ausbringung in diesen Gebieten ein vieldiskutiertes Thema. Nach den zahlreichen negativen Gutachten aus den betroffenen Gemeinden würden derzeit deren Bürgermeister massiv unter Druck gesetzt, in den kommenden Wochen sind in mehreren Bezirken Aussprachen geplant, die die jeweiligen Bauernbund-Bezirksobmänner angeregt haben. Auch durch medial vermittelte Falschinformationen fühlen sich die Bauernvertreter in ein falsches Licht gerückt. Landesobmann Daniel Gasser stellt klar: „Dass auf unseren Höfen Futter zugekauft wird, um den Tieren eine ausgewogene und nährstoffreiche Versorgung zu gewährleisten, stimmt natürlich – aber sicherlich nicht im Ausmaß von 60 Prozent, so wie es zu lesen und zu hören war. Außerdem verwerten die Tiere das Futter ja auch zu hochwertigen Milchprodukten und Fleisch. Und schließlich ist es auch in anderen Branchen üblich, dass Rohstoffe dazugekauft werden – nur die Landwirtschaft soll das nicht dürfen?“