„Direktvermarktung hat das größte Potential“
Kommunikation innerhalb des Betriebes, vor allem aber mit Kundinnen und Kunden, ist das Um und Auf in der Direktvermarktung. Das wurde bei der fünften Fachtagung für die bäuerliche Direktvermarktung im Kongresszentrum der Messe Bozen klar.
Zwar sei der Urlaub auf dem Bauernhof jener Zuerwerb, der auf Südtirols Bauernhöfen für die meiste Wertschöpfung sorgt, aber auch die Direktvermarktung stelle für einige Bäuerinnen und Bauern ein zweites lukratives Standbein dar, erklärte Hans J. Kienzl, der Leiter der Abteilung Marketing im SBB, bei der Eröffnung der Fachtagung für die bäuerliche Direktvermarktung. „Laut einer Studie des Wirtschaftsforschungsinstituts Wifo erwirtschaften alle Direktvermarktungsbetriebe gemeinsam ca. 45 Millionen Euro Umsatz. Das sind durchschnittlich 98.000 Euro pro Betrieb. Ich sehe in der Direktvermarktung den Zuerwerb mit dem größten Potential in den nächsten Jahren.“
Unterstützt werden die Direktvermarkter vom Südtiroler Bauernbund, der vor kurzem die Direktvermarkter-Offensive ins Leben gerufen hat. Sie umfasst u. a. eine fundierte Aus- und Weiterbildung in der Direktvermarkter-Akademie. „17 Bäuerinnen und Bauern haben die aufwändige Ausbildung begonnen“, freute sich Kienzl.
Zur weiteren Unterstützung der Betriebe gibt es einen Beraterpool von fünfzig Beraterinnen und Berater für 116 mögliche Problemfelder. Und nicht zuletzt setzt der SBB mit dem FarmFood-Festival und der neuen Webseite der Marke „Roter Hahn“ starke Akzente im Marketing. Zu einem späteren Zeitpunkt sollen Logistik und Absatz in Angriff genommen werden.
Bauernbund-Landesobmann Leo Tiefenthaler unterstrich den positiven Nebeneffekt, den die Direktvermarktung bietet: „Die Direktvermarkter kommen direkt mit den Kunden in Kontakt. Das schafft ein Miteinander und mehr Verständnis für die Landwirtschaft.“ Landesrat Arnold Schuler sprach sich dafür aus, den Trend zur Regionalität zu nutzen: „Wir haben unter den Direktvermarktungsbetrieben viele Vorzeigehöfe, die auf relativ kleinen Flächen viel Wortschöpfung generieren.“ Jedes Produkt brauche eine Geschichte, aber kein Märchen, meinte Hannes Knollseisen von der Abteilung Marketing im Südtiroler Bauernbund, der die Tagung moderierte. Wichtig seien Echtheit und Authentizität.
Darüber und über das Potential bäuerlicher Produkte sprach Katarina Schickling, Journalistin und Buchautorin aus München. Mit vielen konkreten Beispielen, in denen sie direktvermarktende Betriebe in ganz Europa vorstellte und ihren ganz persönlichen Weg beschrieb, vermittelte sie den Teilnehmerinnen und Teilnehmern die Sicht der Konsumentinnen und Konsumenten und erklärte, wie man effizient mit ihnen kommuniziert. „Es braucht einen eigenen Vertriebsweg, um direkt mit den Kunden in Kontakt zu kommen und zu erklären, wie man arbeitet, wie man produziert und wieso deshalb die Produkte mehr kosten müssen.“ Nur so könne die Hochwertigkeit und Besonderheit der Produkte und der Menschen vermittelt werden. „91 Prozent der Kunden wollen diese Transparenz“, meinte Schickling.
Sebastian Girmann, Berater und Betriebsleiter der Gärtnerei Biotop Oberland in Lenggries (Deutschland) erklärte, dass effizientes Arbeiten Stress vermeidet und langfristig zum Erfolg führt. „Die Direktvermarktung ist kein Sprint, sondern ein Langstreckenlauf.“ Er achte in seinem Betrieb darauf, den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern gute Arbeitsbedingungen bei gutem Lohn zu bieten. Deshalb wende man das Lean-Farming-Modell an, bei dem gute Organisation und genügend Regenerationszeiten für mehr Motivation im Betrieb sorgen. Girmann bestätigte die Bedeutung der Kommunikation: „Mit Kundinnen und Kunden zu kommunizieren, ist außerordentlich wichtig. Was man hier investiert, kommt doppelt und dreifach zurück.“ Wichtig sei aber auch betriebsintern gut und viel zu kommunizieren, damit alle am gleichen Strang ziehen und so gemeinsam zum Erfolg des Betriebes beitragen können.
Girmann empfahl, den Betrieb und seine Abläufe zu optimieren. Er stellte deshalb die 5-S-Methode vor. Die fünf S stehen für „Sortiere aus“, „Systematisieren“, „Säubern“, „Standardisieren“ und „Selbstdisziplin“. Vor einer zu raschen Umsetzung von Optimierungen warnte der Betriebswirt aber, weil das eher zu Chaos führen könnte. Kleine Optimierungen könnten aber ad hoc umgesetzt werden. Zum Schluss stellten sich zwei Direktvermarktungsbetriebe vor: Irmi und Klaus Oberhofer von Burg Latsch sind Pioniere und produzieren seit 23 Jahren Bio-Apfelsäfte. Inzwischen gibt es auch Apfelchips und – seit diesem Jahr – einen Apfelessig von „Eva Apfelsäfte“.
Claudia und Roland Eder vom Moarhof in Ahornach sind erst seit 2017 als Direktvermarkter tätig: Sie haben sich eine Hofkäserei eingerichtet, in der sie Graukäse, Ziggolan und Butter herstellen. Inzwischen halten sie auch Schweine und produzieren Speck und Würste. Den Verkauf haben sie über drei Großhändler organisiert, sind aber auch bei verschiedenen Veranstaltungen präsent, wie dem Käsefestival in Sand in Taufers.