Bäuerinnen denken lösungsorientiert

Um die tragende Rolle der Bäuerin ging es bei der fünften internationalen Fachtagung für Frauen in der Landwirtschaft in Bozen. Von 2. bis 4. April wurde angeregt diskutiert und hinter die Kulissen geschaut. Und an Themen gearbeitet, die sonst oft unterm Teppich bleiben.

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Bäuerinnenorganisation

In der Eurac Bozen fiel am 2. April um 8.45 Uhr der Startschuss zu einem dreitägigen Marathon an Vorträgen, Workshops, gemeinsamen Essen und vielen Hofbesuchen. Die Südtiroler Bäuerinnenorganisation hatte Frauen mit Landwirtschaftsbezug und Bäuerinnen aus der Schweiz, Deutschland, Österreich und natürlich Südtirol nach Bozen zur fünften internationalen Fachtagung für Frauen in der Landwirtschaft geladen. Über 150 Frauen sind dem Ruf gefolgt und haben die Tagung als das verstanden, was sie sein soll: eine Plattform für Austausch, Diskussion und Vernetzung von Frauen in der Landwirtschaft. Die Bäuerinnenorganisation hatte sich im Vorfeld starke Partner mit ins Boot geholt: So haben Eurac Research, die Freie Universität Bozen und das Wirtschaftsforschungsinstitut Wifo der Handelskammer Bozen die Tagung mitorganisiert. Landesbäuerin Antonia Egger kündigte bereits bei der Eröffnung an, dass die Ergebnisse aus den Workshops der beiden Nachmittage in einem Positionspapier zusammengefasst werden. Dieser Katalog an „Bedürfnissen der Bäuerinnen“ werde am letzten Tag an Landeshauptmann Arno Kompatscher überreicht und auch anderen politischen Entscheidungsträgern ausgehändigt (siehe Text unten).

Drei Themenblöcke mit Vorträgen und Workshops
Die drei Veranstaltungstage wurden in drei Themenblöcke unterteilt: Der erste Tag stand unter dem Motto „Spannungsfeld Gesellschaft – Landwirtschaft“, am zweiten Tag widmete man sich der klein strukturierten Landwirtschaft und am dritten und letzten Tag, eigentlich nur vormittags, dem Thema „Arbeitsplatz Landwirtschaft“. An den Vormittagen wurden Vorträge zu den jeweiligen Schwerpunkten angeboten, an den Nachmittagen arbeiteten Kleingruppen an konkreten Fragestellungen. Roland Psenner, Präsident von Eurac Research, erklärte in seiner Eröffnungsrede: „Bäuerinnen leisten Außergewöhnliches für unser Land: im sozialen, wirtschaftlichen, ökologischen und auch im wissenschaftlichen Bereich.“ Dabei sei vor allem hervorzuheben, dass Frauen anders als Männer immer lösungsorientiert denken. Und Bäuerinnen seien seit jeher offen und sensibel für Themen wie Nachhaltigkeit, Innovation.

Frauenunternehmertum: Tendenz steigend
Der Präsident der Handelskammer Bozen und des Wirtschaftsforschungsinstituts Wifo, Michl Ebner, unterstrich die Wichtigkeit der Bäuerinnen im Unternehmertum: „Wir haben 20.000 bäuerliche Betriebe im Land, 3000 sind in Frauenhand. Insgesamt gibt es 11.000 Frauenunternehmungen in Süd­tirol. – Tendenz steigend.“ Das sei erfreulich. Er forderte die Frauen dazu auf, sich zu Wort zu melden und ihren Blickpunkt einzubringen, denn der sei anders als der der Männer, aber nicht minder wichtig – im Gegenteil. Leider würden Frauen oft selbst nicht an sich glauben und sich deshalb im Hintergrund halten. Das müsse sich ändern. Auch die Rolle der Landwirtschaft in Gesellschaft und Wirtschaft unterstrich Ebner: „Wir als Handelskammer sind froh und dankbar, dass die Landwirtschaft immer wieder Impulsgeberin ist und sich in und außerhalb Südtirols gut vernetzt, statt sich zu isolieren.“ Dass die Rolle der Landwirtschaft fundamental sei, brauche er den Bäuerinnen nicht erzählen, das wüssten sie selbst am besten. Aber das müsse auch nach außen getragen und der Gesellschaft deutlich gemacht werden. „Wie die Henne, die ein Riesenspektakel macht, wenn sie ein Ei gelegt hat“, ermutigte er. Ulrike Tappeiner, Präsidentin der Freien Universität Bozen, nannte die Gründe, weshalb sie keinen Moment gezögert habe, diese Tagung in Bozen voll zu unterstützen: „Zum einen zeigt die Freie Universität Bozen großes Engagement in der Landwirtschaft, und das bereits seit ihren Anfängen. Zum Zweiten ist die Wechselwirkung Landnutzung und Ökologie eines meiner Forschungsschwerpunkte, deshalb interessieren mich diese Themen auch persönlich.“ Und schließlich sei sie der Überzeugung, dass aktive und engagierte Frauen zu selten auf der Bühne stehen, oft bleiben sie unsichtbar. Die Tagung sei deshalb eine ideale Plattform, um das zu durchbrechen. Auch der Landesrat für Landwirtschaft streute den Bäuerinnen Rosen: Frauen wüssten anzupacken, meinte er, sie würden weniger jammern (als Männer) und stattdessen beherzt ans Werk gehen, wenn es mal eng wird. „Impulse zur Veränderung, Lösungen für Probleme und gute Ideen kommen meistens von den Frauen“, unterstrich Walcher und mit Blick auf die Vorträge und Workshops der Tagung lobte er das Programm: „Hier werden wichtige Themen angesprochen, die daheim leider oft nicht angesprochen werden, zum Beispiel, wenn es ums Geld geht.“ 

Ergebnisse der Workshops
An beiden Nachmittagen der Tagung wurde in Kleingruppen gearbeitet: In den Workshops diskutierte und formulierte man Bedürfnisse und Lösungsansätze für die vielfältigen Herausforderungen im Bäuerinnenalltag. Es ging dabei um innovative Möglichkeiten in der klein strukturierten Landwirtschaft, um die Attraktivität des Berufes Bäuerin und um Ideen, wie die Zusammenarbeit zwischen Umweltschutz und Landwirtschaft gelingen kann. Auch die Themen Krisenbewältigung und persönliche Herausforderungen, Mehrwert der Landwirtschaft für ein lebendiges Gemeinwohl und die mediale Berichterstattung über die Landwirtschaft wurden in den gut besuchten Workshops diskutiert. Das Thema Kommunikation spielte bei allen Themenschwerpunkten eine zentrale Rolle: Dabei ging es nicht nur um das Gespräch und den konstruktiven Austausch mit der Gesellschaft, den Institutionen und der Politik, sondern auch um den aktiven Gedankenaustausch und die Konfliktbewältigung innerhalb der Familie, mit dem Partner, den Kindern, Eltern und Schwiegereltern.

Podiumsdiskussion mit Landeshauptmann
Am Abschlussnachmittag waren neben Landesbäuerin Antonia Egger auch Astrid Brunner, Bundesbäuerin-Stellvertreterin Österreich, Anne Challandes, Präsidentin des Schweizerischen Bäuerinnen- und Landfrauenverbandes, und Christine Singer, Landesbäuerin Bayern, anwesend. Landeshauptmann Arno Kompatscher war – wie angekündigt – zum Abschluss der Tagung gekommen und stellte sich der Diskussion mit den Bäuerinnen. Anne Challandes, Präsidentin des Schweizerischen Bäuerinnen- und Landfrauenverbandes, forderte, den Blick künftig mehr auf soziale und wirtschaftliche Nachhaltigkeit zu lenken. Für Astrid Brunner, Bundesbäue­rin-Stellvertreterin aus Österreich, ist das evidenzbasierte Arbeiten für eine zukunftsfähige Landwirtschaft wichtig. „Wir haben im Vortrag von Elisabeth Gsottbauer über die Landwirtschaft im Wandel gehört, wie wichtig es ist, Entscheidungen auf wissenschaftlichen Grundlagen aufbauend zu treffen und nicht nur auf Meinungen und Annahmen.“ Bayerns Landesbäuerin Christine Singer sprach die Wichtigkeit der Altersvorsorge an: „Wir brauchen eine gleichberechtigte Arbeitsaufteilung und Entlohnung am Hof, damit wir Bäuerinnen im Alter ein Auskommen haben.“ Bürokratie hemmt die Innovation am Hof, waren sich die vier Bäuerinnen einig. Die schlechte soziale Absicherung und die geringen landwirtschaftlichen Einkommen bringen Existenzängste mit sich. „Wir müssen den Mut haben, unsere Anliegen immer wieder in allen Entscheidungsgremien einzubringen und ihre Umsetzung einzufordern“, sagte Antonia Egger in ihren Schlussworten. Die Landesbäuerin kündigte am Ende der Veranstaltung auch an: „Die nächste internationale Tagung ,Frauen in der Landwirtschaft‘ wird vom Landwirtschaftsministerium Österreich und der BOKU Wien gemeinsam organisiert. Sie wird in zwei Jahren in Wien stattfinden.“ 
Alle Informationen zur Tagung unter https://tagung.baeuerinnen.it/ 

Was die Bäuerinnen wollen
  • Ausbau von Bildungsangeboten und neue Entwicklung von Schulprojekten zum Thema Landwirtschaft und -Ernährung und deren Verankerung in den Lehrplänen
  • Bürokratieabbau auf allen Ebenen 
  • Gespräche mit der Landwirtschaft in wichtigen Umwelt- und Raumordnungsfragen
  • Lösungsorientierte Diskussionen nach Innen und Außen
  • Entwickeln von Modellen der Sozialen Landwirtschaft
  • Lokale Kreisläufe stärken und regionale Produkte in öffentlichen Einrichtungen
  • Beratung und Begleitprogramme bei der Hofübergabe
  • Entlastungsmöglichkeiten für Frauen am Hof
  • Soziale Absicherung verbessern

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