Elisabeth Kössler beherrscht die Kunst der Saatgutgewinnung.

Angepasstes Saatgut als Mission

Die Bäuerin Elisabeth Kössler hat sich auf Saatgutgewinnung spezialisiert. In ihrem Betrieb „PflanzGutes“

in Gratsch/Meran selektiert sie gesundes, standortangepasstes Saatgut und gibt es an Interessierte weiter.

Lesedauer: 10
Produktion

Wer Elisabeth Kösslers Betrieb „PflanzGutes“ in Gratsch bei Meran besucht, wird vielleicht überrascht sein: Warum hängen hier noch so viele reife Tomaten und Stangenbohnen, die eigentlich längst geerntet sein könnten? Der Grund ist einfach: Im Betrieb geht es nicht um den Gemüseanbau für den Verkauf, sondern um die Erzeugung von hochwertigem Saatgut und Jungpflanzen. Seit dem Jahr 2018 ist dieser 0,7 Hektar große Betrieb auf die Produktion von Saatgut und die Erhaltung lokaler Pflanzensorten spezialisiert.

Reise in die Saatgutproduktion
Elisabeth Kössler, die aus Bayern stammt und Gartenbau in Weihenstephan studiert hat, bewirtschaftet ihren Betrieb nach den Prinzipien der Permakultur. Der Schwerpunkt des Betriebes liegt in der Saatgutvermehrung und der Jungpflanzenproduktion. Der wichtigste Schritt in der Saatgut­herstellung ist die sorgfältige Auswahl der besten Pflanzen während ihrer Wachstumsphase. Kriterien wie Krankheitsresistenz, Ertrag, Geschmack und Anpassungsfähigkeit an das lokale Klima spielen dabei eine zentrale Rolle. Diese Selektion ist entscheidend, um robustes, standortangepasstes Saatgut zu erzeugen. „Es geht nicht darum, die schönsten Früchte zu ernten, sondern die besten Pflanzen für die Vermehrung auszuwählen“, erklärt Elisabeth.

Das A und O: Reinigung, Trocknung und Lagerung
Nach der Ernte müssen die Samen der meisten Pflanzen zuerst gut getrocknet werden, um ihre Keimfähigkeit zu bewahren. Im Betrieb „PflanzGutes“ werden sie entweder an der Luft oder im Dörrapparat getrocknet. Danach werden die Samen gereinigt und sortiert. Dies geschieht mit sogenannten Schwungsieben, die die Samen von den Pflanzenresten trennen. „Man muss sehr sorgfältig vorgehen, um sicherzustellen, dass nur die besten Samen übrig bleiben“, betont Elisabeth Kössler. Für einige Kulturpflanzen wie Tomaten ist eine sogenannte „Nassreinigung“ nötig. Dabei wird das Saatgut mit ein wenig Wasser und Zucker vergoren, um die keimhemmende Schutzschicht rund um die Samen zu ent­fernen. Dann werden die Samen getrocknet. Die getrockneten Samen werden in Gläsern trocken und dunkel gelagert, um ihre Keimfähigkeit möglichst lange zu bewahren. Wie lange Saatgut keimfähig bleibt hängt vor allem auch von der Gemüseart ab.  Wenn das Saatgut sehr gut getrocknet wurde, kann es auch eingefroren werden, um die Haltbarkeit zu verlängern.

Warum lokales Saatgut?
Ein großer Vorteil der lokalen Saatgutproduktion ist die Anpassung des Saatguts an die spezifischen Bedingungen vor Ort. Über Generationen hinweg wird eine natürliche Selektion gefördert, die Pflanzen hervorbringt, die optimal an das lokale Mikroklima und die Bodenbeschaffenheit angepasst sind. Diese Pflanzen sind widerstandsfähiger gegenüber Krankheiten, Schädlingen und Wetterextremen. Besonders am Herzen liegt Elisabeth die Erhaltung alter Sorten. „Meine Kunden schätzen die Vielfalt, die sie bei mir finden. Sie bekommen nicht nur Saatgut und Jungpflanzen hoher Qualität, sondern auch Sorten, die anderswo kaum zu finden sind“, sagt sie. Diese Vielfalt zu erhalten, sei entscheidend für die Zukunft der Landwirtschaft in Südtirol.

Permakultur als ganzheitliches Anbauprinzip
Die Prinzipien der Permakultur spielen auf Elisabeths Betrieb eine zentrale Rolle. Diese nachhaltige Landwirtschaftsform zielt darauf ab, natürliche Kreisläufe  zu schaffen, in denen Pflanze, Tier und Mensch in einer symbiotischen Beziehung stehen. Durch die Permakultur ist es möglich, den Boden zu verbessern und langfristig produktiver zu machen. Elisabeth nutzt organische Düngemittel wie Mist und Schafwolle, um das Bodenleben zu fördern. Besonders wichtig ist Elisabeth, dass der Boden immer bedeckt ist – entweder mit Mulch oder mit Pflanzen. So werden Bodenverdichtung und Nährstoffauswaschung vermieden und das Bodenleben wird gestärkt. Ein besonderer Bereich ihres Betriebes ist die „essbare Landschaft“, in der sich Bäume, Sträucher, Kräuter und Blumen finden. Diese Vielfalt dient nicht nur der Produktion, sondern auch dem Schutz des Bodens und der Förderung eines gesunden Ökosystems. Der Erfolg zeigt sich in der zunehmenden Nachfrage nach robusten, widerstandsfähigen Pflanzen von Kundinnen und Kunden.

Projekt INNOLeguminosen
Elisabeth Kössler engagiert sich auch im EU-geförderten Projekt INNOLeguminosen, das sich mit dem Anbau und der Verarbeitung von Hülsenfrüchten befasst. Gemeinsam mit dem Südtiroler Bauernbund, dem Versuchszentrum Laimburg, dem Management Center Innsbruck, dem Beratungsring für Berglandwirtschaft und drei weiteren Landwirten arbeitet sie daran, den Anbau dieser Pflanzen zu fördern und innovative Produkte zu entwickeln. Interessierte können sich in der Bauernbund-Abteilung Innovation & Energie unter innovation-energie@sbb.it oder telefonisch unter +39 0471 999363 melden. Am 6. November wird das Thema zudem im Seminar „Leguminosen und deren Anbau“ von Experten des Versuchszentrums Laimburg und des BRING vertieft. Weitere Informationen zum Seminar finden Sie online unter https://bit.ly/3XCBeJk sowie unter „Veranstaltungen“ in der nächsten Ausgabe des „Südtiroler Landwirt“.

Weitere Artikel zu diesem Thema