Nahezu die gesamte Rebfläche Südtirols wird als DOC-Wein vermarktet – und zwar weltweit.

50 Jahre Erfolgsgeschichte

Am 14. April 1975 wurde per Dekret die Ursprungsbezeichnung DOC Südtirol eingeführt. Genau 50 Jahre später, Anfang letzter Woche, feierte man dieses Jubiläum im Merkantilgebäude Bozen: Dabei schaute man auf eine Erfolgsgeschichte zurück und wagte mutige Ausblicke in die Zukunft.

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Produktion

Es war ein Meilenstein für die Südtiroler Weinwirtschaft, der Startschuss für einen Marathon, bei dem man sich mit Beharrlichkeit, Ehrgeiz und Fleiß Schritt für Schritt bis an die Spitze der internationalen Weinwelt herangearbeitet hat: Am 14. April 1975 wurde per Dekret des Staatspräsidenten die Ursprungsbezeichnung DOC Südtirol bzw. Südtiroler eingeführt. „Das schuf die Voraussetzung dafür, dass Südtirols Weine heute diesen Stellenwert haben“, erklärte Handelskammer-Präsident Michl Ebner in seiner Begrüßungsrede zur Jubiläumsfeier genau 50 Jahre später, also am 14. April 2025. Das Konsortium Südtirol Wein hatte gemeinsam mit der Handelskammer zu einer Geburtstagsfeier ins Merkantilgebäude geladen. Daran nahmen neben Medienvertreterinnen und -vertretern auch Zeitzeugen und aktuelle Mitgestalter der Südtiroler Weinwirtschaft teil. 

DOC als Symbol der Kehrtwende
Michl Ebner unterstrich in seinen Ausführungen die Wichtigkeit des Weinsektors für Südtirol, nicht nur aus wirtschaftlicher Sicht: „Wein ist Teil unserer Kultur, verkörpert Genuss und Lebensqualität“, unterstrich er. Bis die Erzeugervorschriften per Dekret festgelegt waren, habe es langwierige Diskussionen und Verhandlungen gebraucht. Allerdings war man sich sicher, dass der Weg der Südtiroler Weinwirtschaft damit in die richtige Richtung führen würde. Denn bis dahin hatte man vor allem auf Masse gesetzt. Andreas Kofler, Präsident des Konsortiums Südtirol Wein, erklärte: „Der Blick in die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg zeigt einen Weinbau in Südtirol, der mit der heutigen Realität nichts zu tun hat: Die Bauern wurden nach Menge bezahlt, je mehr Trauben auf den Reben hingen, umso besser.“ Erst als das System Risse bekam und der Absatz immer schwieriger wurde, sei es zu einem Umdenken gekommen. „Es hat damals mutige Menschen gegeben, im Komitee für Rebbau und Weinwirtschaft sowie in der Politik, die den einzig richtigen Weg eingeschlagen haben“, unterstrich Andreas Kofler, das Jahr 1975 sei ein greifbares Symbol dieser drastischen Kursänderung. 

Vom Fasswein zur 7/10-Liter-Flasche
Kofler belegte diese Kehrtwende mit Zahlen: „Vor 1975 wurden in Südtirol nur vier Prozent der gesamten Weinproduktion in 7/10-Liter-Flaschen abgefüllt, während der Löwenanteil offen (also im Tank) oder in Ein- bzw. Zwei-Liter-Flaschen vermarktet wurde.“ Bereits ein gutes halbes Jahr nach Veröffentlichung des Dekrets, also Ende 1975, waren 92 Prozent der damaligen Südtiroler Rebfläche (das waren 5.083 Hektar) zur Eintragung in die entsprechenden Weinberg­rollen bei der Handelskammer gemeldet worden und durften damit prinzipiell das DOC-Siegel verwenden. In den darauffolgenden Jahrzehnten wurden die Bestimmungen laufend angepasst und erweitert. Gleichzeitig sei der Qualitätsgedanke von den Kellermeistern, den Geschäftsführern der Genossenschaften und den Weinproduzenten kontinuierlich weiterentwickelt und kommuniziert worden, nach außen ebenso wie nach innen: „Denn auch die Bäuerinnen und Bauern mussten erst davon überzeugt werden, die Mengen zu reduzieren und den Fokus auf Qualität zu legen“, erklärte Kofler.

Schwieriger Absatz der Massenware
Einer, der den Wandel mitgestaltet hat, ist Josef Rottensteiner, ehemaliger Generalsekretär der Handelskammer Bozen und damals Mitglied des sogenannten „Weinbaukomitees“. Er erzählte von den schwierigen Anfängen nach dem Krieg, als die Märkte neu aufgebaut werden mussten. Ein wichtiger Absatzmarkt für Südtiroler Weine war damals die Schweiz, am italienischen Markt konnte man nicht punkten. „Bald kam Deutschland, vor allem Bayern, als Absatzmarkt dazu“, erzählte Rottensteiner. Und nicht zuletzt wurden große Mengen nach Tirol und Vorarlberg geliefert. „Österreich war vor seinem EU-Beitritt zwar weitestgehend für Weinimporte geschlossen, Südtirol aber spielte dank des beiderseitigen Handelsabkommens, des sogenannten ,Accordino‘, eine Sonderrolle und konnte große Mengen Wein ausführen – dies teils auch noch zollfrei“, berichtete der ehemalige Generalsekretär. In dieser Zeit wurde massiv zugekauft, der Weinhandel in Südtirol prosperierte. Von Qualität war keine Rede, es ging schlichtweg um Masse. Bis die Märkte zu schwächeln begannen und der Absatz zurückging. Auch Werbemaßnahmen brachten nicht die gewünschten Erfolge. „Die Produzenten haben langsam gemerkt, dass bessere Qualitäten mit Herkunftsnachweis gewünscht wurden“, erinnerte sich Josef Rottensteiner. Diesem Wunsch kam man mit DOC Südtirol nach.

Qualitätswende „dank“ Weinkrise
Ab Mitte der 1980er-Jahre vollzog sich die konsequente Qualitätswende der Südtiroler Weinwirtschaft. Sie wurde auch deshalb beschleunigt, weil der Weinmarkt zusammenbrach, die Exporte in die Schweiz massiv zurückgingen und der Ruf der Weine aus Südtirol vor allem auf jenen Märkten schlecht war, die man zuvor mit Billigweinen geflutet hatte. Dank der rechtlichen Basis durch DOC Südtirol und des Weitblicks von Pionieren wie Luis Raifer, Paolo Foradori, Alois Lageder oder Hans Rottensteiner setzte die heimische Weinwirtschaft ab Mitte der 1980er Jahre endgültig auf Qualität. Die Kellermeister und Önologen arbeiteten nun immer enger mit den Weinbäuerinnen und Weinbauern zusammen, um Trauben höchster Qualität ernten und einkellern zu können. Diese Qualitätswende fand ihren Niederschlag auch in den DOC-Bestimmungen, die angepasst wurden: So wurden die Produk­tionsvorschriften der bis dahin eigenständigen DOC-Bezeichnungen St. Magdalener, Meraner oder Meraner Hügel, Terlaner, Eisacktaler und Bozner Leiten im Jahr 1993 sowie Vinschgau im Jahr 1995 als Unterzonen unter DOC Südtirol zusammengeführt. Seit damals bildet DOC Südtirol das Dach der allermeisten Südtiroler DOC-Bezeichnungen und ist damit zur Visitenkarte Südtiroler Weinproduktion geworden.

Ein weiterer Meilenstein: die Lagen
Die Entwicklung, die vor 50 Jahren mit der Einführung von DOC Südtirol begonnen hat, ist seit dem Vorjahr um ein Kapitel reicher. So wurden 86 Lagen offiziell anerkannt, seit der Ernte 2024 dürfen sie als zusätzliche geografische Angaben (Unità Geografica Aggiuntiva, UGA) auf dem Etikett geführt werden. Ein eigens ausgearbeitetes Piktogramm weist sie zudem als Lagenweine aus und gibt den Konsumentinnen und Konsumenten Orientierung. Martin Foradori, Vize-Präsident des Konsortiums Südtirol Wein und seit jeher Verfechter des Lagenprojekts, erklärte bei der Jubiläumsfeier: „Es hat auch hier im Vorfeld viele Diskussionen gegeben, und es gibt (noch) einige Kritikpunkte, aber es ist ein erster Schritt und auch hier wird man nach und nach Anpassungen vornehmen und das Lagenkonzept stetig verbessern.“ Man habe damit aber, wie schon mit den Erzeugervorschriften von 1975, einen weiteren Meilenstein gesetzt, um das Profil Südtirols weiter zu schärfen und die gemeinsame Identität zu stärken. „Wir wollen nicht im Mittelmaß verharren, sondern Entscheidungen treffen, die Maßstäbe setzen“, meinte er. Und schließlich legte er noch seine Vision für das Lagenkonzept offen: „Ich träume von Lagen, in denen nur eine einzige Sorte zugelassen ist.“ 

Die Organisation heute
Als Dachorganisation aller Südtiroler Weinproduzentinnen und -produzenten dient seit 2007 das Konsortium Südtirol Wein. Direktor Eduard Bernhart erläuterte: „Wir haben das weltweite Marketing für die Marke Südtirol Wein übernommen und stehen unseren Mitgliedern auch rechtlich und praktisch zur Seite.“ Die Kontrollstelle für die DOC-Weine ist in der  Handelskammer Bozen angesiedelt. Sie garantiert die Qualität der Produktion, überwacht die Ursprungsbezeichnungen, darunter auch DOC Südtirol und überwacht die Einhaltung der Erzeugervorschriften. So führt man auch Inspektionen in den Kellereien und Weinbergen durch und lässt entnommene Weinproben analysieren. Auch Landesrat Luis Walcher hatte es sich als Grieser Weinbauer nicht nehmen lassen, zur Jubiläumsfeier zu kommen. Sein Dank galt den vielen fleißigen Weinbäuerinnen und -bauern, die in den Weinbergen Außerordentliches leisten, den Kellermeistern und Önologinnen, der Handelskammer, dem Konsortium und den zuständigen Landesstellen. „Mit nur einem Prozent Flächenanteil an der Gesamtproduktion an Wein weltweit, haben wir als Südtirol allein über besondere Qualitäten die Möglichkeit, ganz vorne mitzuspielen“, unterstrich er. Nur gemeinsam könne man solche wichtigen Schritte setzen und den Weg zum Erfolg finden. 

Zeitzeugen und Akteure der Südtiroler Weinwirtschaft bei der Feier im Merkantilgebäude

Renate Anna Rubner

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