Derzeit wird am Versuchszentrum Laimburg die Wirksamkeit der stationären Applikation geprüft.

Stationäre Applikation: Für und Wider

Sprühen ohne Sprüher – die stationäre Applikation soll dies in Zukunft ermöglichen. Am Versuchszentrum Laimburg beschäftigt sich die Arbeitsgruppe Mittelprüfung mit den Vor- und Nachteilen dieser neuen Technik. Und hat dazu erste Erfahrungen gesammelt.

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Produktion

Unter stationärer Applikation versteht man ein Pflanzenbehandlungssystem, das insbesondere im Obst- und Weinbau eingesetzt wird und dazu dient, Pflanzenschutzmittel auszubringen. Dieses System wird derzeit am Versuchszentrum Laimburg in Pfatten im Laimburg Integrated Digital Orchard (LIDO) getestet und optimiert. Die innovative Technik bietet eine Alternative zu herkömmlichen Methoden der Pflanzenschutzmittelausbringung wie mit mobilen Sprühgeräten oder durch manuelle Anwendungen mittels Schlauch, indem sie fest installierte Düsen entlang des Erziehungssystems verwendet. Zunächst wird die Spritzbrühe im Sprüher oder im eigenen Tank der stationären Applikation vorbereitet. Anschließend wird der Sprüher an das System angeschlossen oder über eine Pumpe das fest installierte Leitungssystem mit dem Pflanzenschutzmittel befüllt. Sobald der erforderliche Druck erreicht ist, öffnen sich die Pulsatoren gleichzeitig, wodurch ein gleichzeitiger Beginn der Behandlung gewährleistet wird. Im Obstbau befinden sich die Düsen in den Baumreihen oberhalb der Baumkronen, während sie im Weinbau in den Rebzeilen oberhalb der Laubwand und innerhalb der Traubenzone positioniert sind.
Das stationäre Applikationssystem findet weltweit bereits in Versuchen und zunehmend auch in der Praxis Anwendung. In Ländern wie Italien, Österreich, Deutschland, den USA, Kanada und Frankreich werden diese Systeme bereits erfolgreich getestet und eingesetzt. Besonders in Südtirol könnten sie in Zukunft im Obst- und Weinbau eine bedeutende Rolle spielen. Das Versuchszentrum Laimburg verfügt derzeit über zwei stationäre Applikationssysteme, deren Bau im Jahr 2024 abgeschlossen wurde. Sie stehen in einer 0,65 Hektar großen Apfelanlage mit der Sorte Rosy Glow in einem sogenannten „Guyot“- oder Multiachs-System, das mit 405 Überkronendüsen (StripNet™, System S.O.PH.I.A.™, Netafim) ausgestattet ist, sowie einem 0,4 Hektar großen Weinberg mit Chardonnay im Guyot-Erziehungssystem auf Terrassen mit etwa 70 Prozent Neigung. Der Weinberg ist mit drei verschiedenen Systemen ausgestattet: 405 pulsierende Streifenregner StripNet™ oberhalb der Laubwand sowie Feinsprüher VibroNet SD™ oder GyroNet™ in der Traubenzone. In beiden Applikationssystemen ermöglicht ein Tank vor Ort das Einspeisen der Spritzbrühe. Rechtlich gesehen wird das gesamte stationäre Applikationssystem als eine Einheit betrachtet, welche wie beim Sprüher einer periodischen Funktionskontrolle unterliegt. Besonders hervorzuheben ist der experimentelle Charakter des Systems S.O.P.H.I.A.™ am Standort Laimburg, da es über die Möglichkeit verfügt, einzelne Reihen getrennt zu behandeln. Diese hohe Flexibilität ermöglicht es, verschiedene Versuchsbehandlungen getrennt durchzuführen. Im LIDO sollen die Vor- und Nachteile der stationären Applikationssysteme für die Südtiroler Landwirtschaft untersucht werden. Von besonderem Interesse ist dabei die Wirkung der Pflanzenschutzmittel bei der Ausbringung mittels stationärer Applikation.

Vorteile der stationären Applikation
Ein großer Vorteil der stationären Applikation ist, dass Behandlungen häufiger durchgeführt werden können ohne dass der Traktor eingesetzt werden muss. Dies würde die Verwendung alternativer Produkte ermöglichen, die oft eine geringere Wirkungsdauer haben und daher häufiger ausgebracht werden müssen. Bisher scheitert der Einsatz einiger biologischer Mittel an ihrer geringen Wirkungsdauer und der fehlenden Möglichkeit einer kontinuierlichen Ausbringung, zum Beispiel bei der Bekämpfung der Blutlaus durch entomopathogene Pilze. Der Einsatz solcher Produkte könnte sich damit in Zukunft lohnen. Dieser Aspekt wird derzeit im LIDO am Versuchszentrum Laimburg untersucht. Des Weiteren kann die stationäre Applikation die Abdrift minimieren, da windstille Phasen besser genutzt werden können. Zudem verhindert grobtropfiges Sprühen oberhalb der Laubwand die Windverfrachtung. Dadurch könnte die stationäre Applikation besonders in sensiblen Zonen die Abdriftproblematik erheblich reduzieren. Laut einer Umfrage von EURAC Research im Jahr 2020 wünschen sich Südtirols Bauern eine Verbesserung der Spritztechnik im Weinbau, was durch die stationäre Applikation gegeben wäre. Ein weiterer Vorteil ist die Reduzierung der Bodenverdichtung, da für die Pflanzenschutzbehandlungen keine Traktoren die Fahrgassen befahren müssen. Dies ermöglicht auch das Sprühen unter ungünstigen Bedingungen wie bei nassen Bodenverhältnissen, bei Erosion oder nach starken Regenfällen.
Darüber hinaus reduziert die stationäre Applikation die Kosten für den Zeitaufwand und den Kraftstoffverbrauch. Nach Abschluss der Arbeit können Leitungen und Düsen mit Wasser ausgespült werden, sodass keine Restmengen anfallen. Der Verzicht auf den Einsatz von Traktor und Sprüher reduziert auch Lärm- und Emissionsbelastung, was sowohl für den Landwirt als auch für die Umwelt von Vorteil ist.
Erste Untersuchungen am Versuchszentrum Laimburg haben gezeigt, dass die stationäre Applikation bei der Verwendung von Düsen oberhalb der Laubwand sowie in der Traubenzone eine vergleichbare Wirkung gegen Peronospora und Oidium erzielt wie durch die herkömmliche Ausbringung mit dem Sprüher. Sowohl das konventionelle als auch das stationäre Applikationssystem weisen vergleichbare Wirksamkeiten auf. Weitere Versuche sind jedoch notwendig, um diese Ergebnisse zu bestätigen und die Effizienz der stationären Applikation unter verschiedenen Bedingungen weiter zu validieren. In der genannten Umfrage von EURAC  Research beklagen fast 80 Prozent der befragten Südtiroler Bauern, dass die Arbeitsintensität und der Arbeitsaufwand im steilen Gelände Schwierigkeiten bereitet. In diesem Kontext kann die automatisierte und zeitnahe Applikation eine erhebliche Erleichterung bieten. Durch die stationäre Applikation kann in wenigen Minuten eine gesamte Anlage behandelt werden, was die Arbeitsabläufe erleichtert und eine schnelle Reaktion auf Infektionsbedingungen bei wechselnden Wetterverhältnissen ermöglicht. Eine zügige und präzise Behandlung ist besonders im biologischen Anbau wichtig, wo häufigere Behandlungen notwendig sind. Ein weiterer Vorteil der stationären Applikation ist die erhöhte Anwendersicherheit. Laut IRE und INAIL wurden über elf Prozent der Arbeitsunfälle in Südtirol im landwirtschaftlichen Sektor verzeichnet, wobei ­27 Prozent der tödlichen Unfälle der Landwirtschaft zuzuschreiben sind. Mechanische Probleme wie das Umkippen des Traktors stellen erhebliche Gefahren dar. Besonders in steilen Lagen bietet die feste Installation von Düsen eine sicherere Alternative, da Landwirte das Manövrieren in gefährlichen Bereichen reduzieren können. Zudem kann die stationäre Applikation im Weinbau, insbesondere bei Pergelerziehung, die Exposition gegenüber Pflanzenschutzmitteln verringern.

Nachteile der stationären Applikation
Die stationäre Applikation bietet Vorteile, aber sie birgt auch einige Herausforderungen: Ein offensichtlicher Nachteil sind die hohen Anschaffungskosten. Im Gegensatz zum Sprüher, der in verschiedenen Anlagen eingesetzt werden kann, muss die stationäre Applikation für jede Fläche getrennt eingerichtet werden. Die Investitionen für die Einrichtung der stationären Applikationssysteme können erheblich sein und erfordern eine sorgfältige Kosten-Nutzen-Analyse, um ihre Rentabilität in der Praxis zu bewerten. Die Materialkosten für ein System für die stationäre Applikation betragen im Obstbau ab dem Verteiler etwa 30.000 Euro pro Hektar. Diese Kosten können je nach Anzahl der Düsen und dem Flächengrundriss sehr stark variieren. Zusätzlich erfordert die Wartung der stationären Applikationssysteme einen anhaltenden Mehraufwand durch zeitaufwändige Wartungsarbeiten. Dies beinhaltet eine regelmäßige Überprüfung der Düsen und Ventile, um eine einwandfreie Funktion und eine gleichmäßige Verteilung der Pflanzenschutzmittel sicherzustellen. Bei der stationären Applikation muss eine sehr hohe Anzahl an Düsen kontrolliert werden, was zu Komplikationen und hohem Zeitaufwand führen kann, wenn Düsen freigeschnitten oder ausgetauscht werden müssen.
Darüber hinaus könnten einige Pflanzenschutzmittel zu Verstopfungen und in der Folge zu einer ungleichmäßigen Verteilung führen. Dazu gehört beispielsweise Schwefelkalk, das sehr gut für eine Ausbringung mittels Überkronenberegnung geeignet ist, aber aufgrund seiner Neigung zu Ablagerungen die feinen Düsen blockieren kann. Der Einfluss dieses Mittels auf die stationäre Applikation wird derzeit am Versuchszentrum Laimburg untersucht.
Im Obstbau ist zudem die gleichmäßige Benetzung des Pflanzenschutzmittels schlechter, da im Gegensatz zum Sprüher die Applikation von oben und ohne Luftunterstützung erfolgt. Die Abdeckung der Blattunterseiten und der unteren Blätter ist dadurch schlechter. Ein weitere Herausforderung ist die zusätzlich ausgebrachte Wassermenge. Vor jeder Spülung kann je nach Düsenart eine Vorspülung erforderlich sein. Nach jeder Behandlung muss zudem das gesamte Leitungssystem mit Wasser durchgespült werden, um Ablagerungen zu verhindern und die Düsen zu reinigen. Dies kann teilweise zum Abwaschen des Pflanzenschutzmittels führen. Ein weiteres Problem besteht darin, dass am Ende der Spritzung in den letzten Düsen des Leitungssystems am längsten Pflanzenschutzmittel vorhanden ist, während die nahen Düsen bereits gereinigt wurden. Dies kann zu einer ungleichmäßigen Verteilung des Pflanzenschutzmittels in der Obstanlage oder im Weinberg führen. Zudem muss die gesamte Saison über ausreichend Wasser für die Spülgänge vorhanden sein. Die genannten Herausforderungen zeigen, dass die stationäre Applikationstechnologie noch einiger Verbesserungen und Anpassungen bedarf, um ihre Effektivität und Wirtschaftlichkeit zu optimieren. Diese werden derzeit am Versuchszentrum Laimburg erforscht und in Zusammenarbeit mit Kooperationspartnern weiterentwickelt.

Das bisherige Fazit
Zusammenfassend kann gesagt werden, dass die stationäre Applikationstechnik viele Vorteile für die Südtiroler Landwirtschaft bietet. Durch die Erhöhung der Arbeitssicherheit, die Verringerung der Exposition gegenüber Pflanzenschutzmitteln, die Reduzierung der Umweltbelastung und die Verbesserung der Effizienz zeigt diese Methode Zukunftspotenzial, besonders in steilen Lagen im Weinbau und im biologischen Anbau. Durch fortlaufende Forschung und Optimierung werden stationäre Applikationssysteme künftig möglicherweise eine zentrale Rolle bei der Gestaltung eines ressourcenschonenden und umweltfreundlichen Pflanzenschutzes spielen.

Darstellung einer mit fix installiertem Tank beladbaren stationären Applikation mit Düsen über der Baumkrone im Obstbau.

Mattia Baraldo und Urban Spitaler

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