Wie es zu innovativen Nischenprodukten (z. B. Bier) kam und was die Produzenten dabei überrascht hat, erklären sie in kurzen Interviews.

Mit neuen Ideen und etwas Glück

Nischenprodukte bedienen zwar nur eine bestimmte Klientel, dafür sind sie aber exklusiv und ein perfektes Alleinstellungsmerkmal. Fünf Direktvermarkter erklären in Interviews, wie sie „ihr“ Produkt gefunden haben und was sie dabei besonders überrascht hat.

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Produktion

Wer in der Direktvermarktung erfolgreich sein will, braucht zunächst eine gute Idee, die es dann Schritt für Schritt umzusetzen gilt. Das klingt vielleicht einfach, ist es aber nicht. Denn die erste Herausforderung besteht bereits darin, ein innovatives Produkt zu finden. Während der Herstellung und Rezeptierung stößt jede Direktvermarkterin und jeder Direktvermarkter auf weitere Hindernisse und Schwierigkeiten, die angegangen und behoben werden müssen. Das ist oft ein beschwerlicher Weg. Es braucht Zähigkeit, Flexibilität, viel Mut und Engagement, um ans Ziel zu kommen. Im Folgenden erzählen fünf Direktvermarkter über ihren Weg zu innovativen Produkten wie Löwenzahnsirup, Bier, Leberkäse, Apfelessig und Zuchtpilzen – alle fünf Produkte mit dem Qualitätssiegel „Roter Hahn“: Patrick Nischler vom Ausser Brugghof in Schnals, Matthias Volgger vom Guggenbergerhof in Afing, Peter Gross vom Rabensteinerhof im Sarntal, Irmi und Klaus Oberhofer von Burg Latsch, Andreas Kalser und Josef Obkircher von Kirnig in Aldein.

Löwenzahnsirup: Ausser Brugghof
Patrick Nischler produziert in Katharinaberg in Schnals Sirupe und Aufstriche. Er ist am elterlichen Milchbetrieb eingestiegen, um sich dort mit der Verarbeitung von Beeren und Blüten einen Zuerwerb aufzubauen. Dazu hat er auf einer Fläche von 2000 Quadratmetern eine Anlage für die Produktion von Himbeeren, Erdbeeren sowie roten und schwarzen Johannisbeeren erstellt. Die Holunder- und Löwenzahnblüten sammelt er an der Hofstelle. Seit diesem Jahr bietet er einen Löwenzahnsirup an.

Südtiroler Landwirt: Herr Nischler, wie sind Sie auf die Idee gekommen, einen Löwenzahnsirup herzustellen?
Patrick Nischler:
Das war eigentlich ein purer Zufall. Mein ursprünglicher Plan war es nämlich, einen Löwenzahnhonig herzustellen. Das Ergebnis hat mich aber nicht besonders überzeugt, also kam mir die Idee, ihn mit Wasser zu verdünnen und als Sirup zu verwenden. Schon die ersten Versuche waren vielversprechend. Daraufhin habe ich sehr intensiv am Zucker-Säure-Spiel getüftelt, denn das ist für die Qualität des Sirups entscheidend …

Womit hatten Sie nicht gerechnet?
Der Geschmack hat mich sehr überrascht. Ich hatte nämlich nicht gedacht, dass man so eine tolle Honignote hineinbekommt, obwohl eigentlich kein Honig drin ist. Überrascht hat mich auch, dass die Leute so aufgeschlossen für Neues sind. Sie sind neugierig auf diesen Sirup, verkosten ihn gerne und lassen sich beraten.

Bier: Guggenbergerhof
Seit dem Jahr 2020 produziert Matthias Volgger mit seiner Familie in Afing in Jenesien auf 960 Metern Meereshöhe Bier aus hofeigenen Rohstoffen. Auf etwa vier Hektar Fläche werden am Guggenbergerhof seitdem Braugerste, Weichweizen und Hopfen
angebaut. Gebraut wird mit dem 250-l-Kessel – inzwischen sechs- bis sieben-mal im Monat.

Südtiroler Landwirt: Herr Volgger, wie sind Sie auf die Idee gekommen, auf einem Bergbauernhof Getreide und Hopfen anzubauen und daraus Bier zu brauen?
Matthias Volgger:
Das Bierbrauen hat mich schon immer fasziniert. Irgendwann habe ich mich im Internet schlaugemacht und mir zum Experimentieren einen kleinen Braukessel zugelegt. Später, als ich auf den Guggenbergerhof in Afing kam, habe ich an der Bieridee weitergetüftelt. An der Hofstelle entdeckte ich einen besonderen Wildhopfen und überlegte mir, ob es nicht möglich wäre, hier auch das Getreide für die Bierproduktion anzubauen.

Womit hatten Sie nicht gerechnet?
Mich hat überrascht, dass die Nachfrage von Anfang an so gut war. Die Idee mit dem Bier aus hofeigenem Getreide hat den Kunden sehr gut gefallen und das Bier hat ihnen gut geschmeckt. Deshalb haben wir uns bereits ein halbes Jahr nach dem Start schon eine größere Brauanlage zugelegt und damit begonnen, mit der Bierproduktion einen Haupterwerb für den Hof aufzubauen. Es ist aber auch zu sagen, dass viel Hand­arbeit nötig ist und es eine Herausforderung ist, bei wirklich jeder Produktion mit der immer gleichen Konzentration dabei zu bleiben. Denn nur dann passt schlussendlich die Qualität.

Leberkäse: Rabensteinerhof
Am Rabensteinerhof im Sarntal leben auf 1250 Meter Meereshöhe 50 bis 70 Schweine, drei Zuchtsauen sowie 30 Rinder – Mutter­tiere und Kälber. Daraus produziert Peter Gross Fleischpakete, Speck und Würste für den Hofladen, für Privatkunden und für das Hotel seines Bruders. Seit dem Jahr 2021 gibt es auch einen Leberkäse vom Rabensteiner-hof.

Südtiroler Landwirt: Herr Gross, wie sind Sie auf die Idee gekommen, einen Leberkäse anzubieten?
Peter Gross:
Ich habe den Anspruch, möglichst alle Teile vom Rind und vom Schwein gut zu verwerten. Daraus entstand die Idee, nicht nur Frischfleischpakete, sondern auch verschiedene Würste und Leberkäse herzustellen. Beim Leberkäse verwende ich die Abschnitte der Rinder und das Fett der Schweine.

Womit hatten Sie nicht gerechnet?
Ich hatte nicht gedacht, dass ich mit der Produktion fast nicht nachkommen würde. Ich brauche nämlich ca. 500 Kilogramm Leberkäse pro Jahr. Es war aber zu Beginn nicht einfach, die Qualität zu erreichen, die ich wollte. Mit den Standardrezepturen ist mir das nicht gelungen. Ich habe dann viel getüftelt und ausprobiert und für mein Rezept sowohl Fett als auch Wasser reduziert. Die Produktion wurde dadurch zwar teurer, aber die Qualität und auch der Geschmack haben mit diesem neuen Rezept einfach ein anderes Niveau erreicht.

Apfelessig EVA Bio: Burg Latsch
Irmi und Klaus Oberhofer produzieren auf ihrem Demeterhof in Latsch Apfel für ihre Säfte. Seit dem Jahr 2021 haben Sie mit ihrer Essigproduktion einen weiteren Betriebszweig eröffnet: 3000 Liter Essig pro Jahr produzieren sie heute – ausschließlich aus den eigenen Äpfeln, die nach biodynamischen Prinzipien angebaut werden.

Südtiroler Landwirt: Herr Oberhofer, wie sind Sie auf die Idee gekommen, nicht nur Apfelsäfte sondern auch Essig herzustell­-
en?
Klaus Oberhofer:
Eigentlich waren es unsere Kunden, die uns dazu motiviert haben: Feinkostläden und Geschäfte, die­ unsere Säfte führen, fragten immer wieder nach, ob wir nicht auch einen hochwertigen Essig produzieren könnten. Also haben wir begonnen, mit Apfelessig zu experimentieren.

Womit hatten Sie nicht gerechnet?
Wir dachten, es würde schwieriger sein, mit dem Essig am Markt Fuß zu fassen, da er mit Essig eigentlich gut versorgt ist. ­Allerdings gibt es viel billigen, also nicht hochwertigen Essig. Wir bedienen mit unserem Produkt eine Zielgruppe, die bereit ist, für hochwertigen Essig den entsprechenden Preis zu bezahlen. Auf der anderen Seite hat mich die Komplexität der Herstellung überrascht. Das Gärverhalten ist sehr facettenreich, mit vielen Variablen – sie zu steuern, ist eine Wissenschaft für sich. Man arbeitet nämlich mit lebenden Kulturen, deshalb muss man schon dahinter sein, um ein gutes Produkt herauszubekommen.

Pilze: Kirnig
Hinter Kirnig stehen die beiden Jungbauern Andreas Kalser und Josef Obkircher. Seit dem Jahr 2018 produzieren sie Edelpilze – mittlerweile an die 1500 Kilogramm pro Woche. Und zwar in Aldein, auf 1200 Meter Meereshöhe in einem für die Pilzproduktion umgebauten Stadel. Sechs Angestellte helfen bei Produktion, Ernte, Verpackung und Lieferung mit.

Südtiroler Landwirt: Herr Kalser, wie sind Sie auf die Idee gekommen, Edelpilze zu kultivieren?
Andreas Kalser:
Josef und ich haben ein zusätzliches Standbein zu unseren beiden Höfen gesucht. Es sollte ein Produkt sein, das Zukunft hat und gut in die Zeit hineinpasst. Die Idee mit den Pilzen hat uns gleich gefallen und so haben wir sie Schritt für Schritt umgesetzt.

Womit hatten Sie nicht gerechnet?
Die erste große Überraschung war die beachtliche Investitionshöhe, die nötig war, um eine effiziente Pilzproduktion zu beginnen. Da waren wir knapp dran, die Idee wieder zu versenken. Auch die viele Handarbeit hatten wir unterschätzt. Im Positiven hat uns das Interesse der Kunden und der Medien überrascht, aber auch die viele Unterstützung durch verschiedene Partner wie den Bauernbund. Das hat uns bestärkt und hilft uns weiter: Vom Innovationspreis der Südtiroler Bauernjugend über das Qualitätssiegel „Roter Hahn“ bis hin zum Farm Food Festival werden einem viele Gelegenheiten geboten. Es ist nur wichtig, dass man sie auch nutzt ...

Hannes Knollseisen

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