Echte Chance direkt ab Hof

Zwar jede Menge Arbeit und mehr Risiko, dafür aber auch unternehmerische Freiheit und Freude am Schaffen zeichnet Südtirols Direktvermarkter aus. Das belegt eine Studie des Wirtschaftsforschungsinstituts WIFO der Handelskammer Bozen. Interessant ist auch die hohe Wertschöpfung, die am Hof bleibt.

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Wirtschaft

Von rund 60.000 Unternehmen, die in der Handelskammer Bozen eingetragen sind, sind 16.013 aktive landwirtschaftliche Betriebe. 455 davon haben sich der Direktvermarktung ihrer Produkte verschrieben, das entspricht einem Anteil von 2,8 Prozent. „Da ist noch deutlich Luft nach oben“, stellte Michl Ebner, Präsident der Handelskammer Bozen, bei der Vorstellung einer WIFO-Studie zur Direktvermarktung fest. Darin gehe es laut Ebner aber auch um die Frage, wie man bäuerliche Direktvermarkter oder jene, die es noch werden möchten, unterstützen kann, um den Sektor zu stärken.

Die Studie war vom Südtiroler Bauernbund in Auftrag gegeben worden, landesweit wurden dazu 203 landwirtschaftliche Unternehmerinnen und Unternehmer befragt. Am 30. November wurde die Studie in der Handelskammer Bozen der Öffentlichkeit vorgestellt. Bauernbund-Landesobmann Leo Tiefenthaler erklärte: „Für uns liefert die Studie wertvolle Informationen darüber, wo die Direktvermarktung aktuell steht.“ Er unterstrich aber auch die Wichtigkeit des Genossenschaftswesens für die Südtiroler Landwirtschaft: „Die Direktvermarktung soll damit auch nicht konkurrieren, sondern eine Ergänzung sein. Der Südtiroler Bauernbund bietet Beratung und Weiterbildung in allen Bereichen, die Direktvermarkterinnen und Direktvermarkter betreffen.“ Dieses Angebot stehe allen interessierten Bäuerinnen und Bauern offen.

Strukturdaten als Basis

Zunächst befasst sich die Studie mit den Stukturdaten der Südtiroler Direktvermarktung. Urban Perkmann vom WIFO erklärte: „Drei Viertel der Südtiroler Direktvermarkterhöfe sind, gemessen an allen Einkünften aus der Landwirtschaft, Vollerwerbsbetriebe, überdurchschnittlich viele davon sind Produzenten ,verschiedener Produkte aus pflanzlichem Anbau‘ sowie von ,frischem Obst und Gemüse‘. Dafür bewirtschaften ,nur‘ etwa die Hälfte der Produzenten von Fleisch und Fleischprodukten ihre Höfe im Vollerwerb. Ein Viertel der Direktvermarkter, und damit ein deutlich höherer Anteil als in der gesamten Landwirtschaft in Südtirol, ist biozertifiziert. Viele Direktvermarktungsbetriebe haben Urlaub auf dem Bauernhof als weiteres Standbein.

Bei den Produktgruppen, die von Direktvermarkterinnen und Direktvermarktern vorwiegend angeboten werden, ist es vor allem der Wein, der hervorsticht: Rund 30 Prozent macht diese Produktgruppe aus, während gute zehn Prozent vorwiegend frisches Obst und Gemüse und zwölf Prozent andere Produkte aus pflanzlichem Anbau auf den Markt bringen. Geringer ist der Anteil der Betriebe, die hauptsächlich Produkte aus der Tierhaltung herstellen: Bei Käse und Milchprodukten sind es rund 21 Prozent, bei Eiern 9,6 Prozent, bei Fleisch 6,7 und bei Honig 5,3 Prozent. Bei 4,6 Prozent der Betriebe ist keine Produktgruppe vorwiegend. Im Schnitt bewirtschaften Südtirols Direktvermarkter eine Gesamtfläche von 7,8 Hektar. Je nach Produktgruppe ergeben sich aber große Unterschiede: So bewirtschaften Betriebe, die Käse und andere Milchprodukte herstellen und verkaufen, durchschnittlich 14,6 Hektar und die Erzeuger von Fleisch und Fleischprodukten 12,4 Hektar, während jene, die vor allem frisches Obst und Gemüse vermarkten, eine durchschnittliche Gesamtfläche von 4,8 Hektar bearbeiten.

Umsatz und Absatzkanäle

Hoch ist der Beitrag der Direktvermarktung am betrieblichen Einkommen der Betriebe: „Insgesamt entfallen auf die Direktvermarktung in Südtirol 44,7 Millionen Euro Umsatz bzw. 98.400 Euro pro Betrieb und damit etwas mehr als die Hälfte (55 %) des gesamten Umsatzes“, erklärte Perkmann. 20 Prozent davon erwirtschaftet die Weinbetriebe. Als Verkaufskanal sticht vor allem der Ab-Hof-Verkauf hervor, 83,7 Prozent der Direktvermarkter nutzen diesen Weg direkt zu den Endkunden, rund ein Drittel ist aber auch auf Bauernmärkten präsent und ein Viertel nutzt die Hauszustellung als direkten Absatzweg. Etwa 75 Prozent der Betriebe beliefern aber auch die Gastronomie und etwa zwei Drittel den Lebensmitteleinzelhandel. Über den Großhandel bietet immerhin die Hälfte der Direktvermarkterinnen und Direktvermarkter ihre Produkte an. Rund zwei Drittel des Umsatzes der Direktvermarktungsbetriebe kommt über diese indirekten Kanäle zustande, nämlich 29.926.000 Euro, während insgesamt 14.821.000 Euro Umsatz über den direkten Verkauf an die Endkunden generiert werden. Das belegt, so die Verfasser der Studie, die Wichtigkeit der Zusammenarbeit mit Groß und Einzelhandel sowie Gastronomie.

Chancen und Herausforderungen

In einem zweiten Abschnitt analysiert die Studie Chancen und Herausforderungen der Direktvermarktung aus der Sicht der Produzenten. Dafür wurden bei 203 bäuerlichen Unternehmerinnen und Unternehmern, also etwa der Hälfte aller Direktvermarkterinnen und Direktvermarkter, Erhebungen gemacht und Gespräche geführt. Laut Klaus Oberrauch vom WIFO, der den zweiten Teil der Studie vorstellte, wurde darin gefragt, welche Gründe ausschlaggebend für den Einstieg in die Direktvermarktung waren: Rund 70 Prozent der Befragten gaben die höhere Wertschöpfung ihrer Betriebe als Grund an, dicht gefolgt von der Freude an der Verarbeitung von Produkten. Knapp 60 Prozent nannten die Unabhängigkeit als ausschlaggebenden Grund. Hohe Zustimmung bekamen auch Aussagen wie die Möglichkeit, den Hof im Vollerwerb zu führen und ihn zukunfts- und krisensicher zu machen. Der direkte Kundenkontakt ist für viele Bäuerinnen und Bauern ein weiterer Grund, weshalb auf Direktvermarktung umgestiegen worden ist.

Ob sich diese Erwartungen auch erfüllt haben, zeigt der Vergleich der Vor- und Nachteile der Direktvermarktung mit der genossenschaftlichen Vermarktung. Zwar fällt durch den Umstieg die mehr oder weniger garantierte Abnahme bestimmter Produktgruppen (Milch, Äpfel, Weintrauben) weg, dafür sind vier von fünf Direktvermarktern der Überzeugung, dass ihr Weg rentabler ist als die Anlieferung an die Genossenschaft. 60,1 Prozent der Befragten gaben zudem an, dass sie die Qualität ihrer Produkte durch die Umstellung steigern konnten, was sich mit dem Einstiegsmotiv (Freude an der Verarbeitung der Produkte) deckt.

Positive Perspektiven

Georg Lun, Leiter des WIFO der Handelskammer Bozen, kam zu den Schlussfolgerungen, die man aus der Studie gezogen hat: Die meisten befragten Direktvermarkterinnen und Direktvermarkter schätzen die weitere Entwicklung der Direktvermarktung in Südtirol eher positiv bis sehr positiv ein. Dementsprechend haben die meisten auch geplant, die Direktvermarktung auszubauen, entweder indem sie die Produktmengen erhöhen (mehr als 75 %), zusätzliche Produkte anbieten (fast die Hälfte) oder Produkte, die sie bisher an eine Genossenschaft geliefert haben, in Zukunft selbst verarbeiten und vermarkten wollen (gut 10 %). Die Direktvermarktung hat aber ihren Preis. Auch das geht aus der Umfrage klar hervor: So nennen die meisten Direktvermarkterinnen und Direktvermarkter den hohen Arbeitsaufwand und das erhöhte unternehmerische Risiko als Herausforderung. Es sei zudem umfangreiches Fachwissen gefragt: In den verschiedenen Bereichen der Produktion und Verarbeitung, in rechtlichen und steuerlichen Fragen und in Marketing und Vermarktung. Deshalb wünschen sich die meisten mehr Beratung bzw. Unterstützung in ihrer Tätigkeit: Vor allem wenn es um die Sensibilisierung der Konsumentinnen und Konsumenten geht, beispielsweise über Veranstaltungen oder Werbekampagnen, mit denen den potenziellen Kunden der Wert von Produktqualität, Regionalität und Nachhaltigkeit vor Augen geführt wird. Daneben ist auch Beratung bei der Vermarktung, bei Genehmigungen und Arbeitsrecht, bei Vorschriften bei Etikettierung und Hygiene, bei Produktion, Produktfindung und -verarbeitung gefragt. Georg Lun zeichnete ein insgesamt positives Bild der Direktvermarktungsnische: „Die Direktvermarktung stößt auf großes Interesse“, sagte er, „denn sie bietet den Betrieben wirtschaftliche Perspektiven.“ Um die bestehenden Betriebe besser zu unterstützen und weitere Bäuerinnen und Bauern für diese Schiene zu begeistern, brauche es Unterstützung durch Ausbildung, eine Intensivierung der Beratung, eine gute Verzahnung von Forschung und Innovation und nicht zuletzt Initiativen, um die Sichtbarkeit der Produkte und ihrer Wertigkeit vor allem im Einzelhandel zu erhöhen.

Renate Anna Rubner

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