Der Strompreis hat auch in Südtirol in den vergangenen Jahren eine wilde Berg- und Talfahrt hinter sich gebracht.

„Abhängigkeiten weiter verringern“

Der Strompreis hatte in den vergangenen Jahren einen bedeutenden Anteil an den explodierenden ­Produktionskosten in der Landwirtschaft. Im folgenden Interview geht es darum, wie die aktuelle Lage am Strommarkt ist und welche Chancen es gibt, Strom zu sparen.

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Der „Südtiroler Landwirt“ hat mit Michael Frei, verantwortlich für den Bereich „Retail Market“ beim Energiedienstleister Alperia, über die Preisentwicklung der vergangenen Jahre sowie über zu erwartende Tendenzen am Markt und bei der Stromversorgung gesprochen.

Südtiroler Landwirt: Wie haben sich die Strompreise in Südtirol in den letzten Jahren entwickelt und welche Hauptfaktoren haben diese Veränderungen beeinflusst?
Michael Frei:
Die Strompreise in Südtirol orientieren sich am italienischen Strommarkt. Das bedeutet, dass sich die Preise hier ähnlich entwickeln wie in ganz Italien. Der wichtigste Preisindikator in Italien ist der PUN (Prezzo Unico Nazionale), der den Großhandelspreis für Strom darstellt. Vor der Covid-19-Pandemie, zwischen 2015 und 2019, lag der PUN bei 50 bis 60 Euro/MWh. Während der Pandemie im Jahr 2020 sanken die Preise auf 21 bis 30 Euro/MWh, da die Wirtschaft stark heruntergefahren wurde, der Strombedarf entsprechend sank und es europaweit zu einer Überproduktion kam. Doch ab 2021 begannen die Preise wieder zu steigen, und mit dem Ukraine-Krieg im Jahr 2022 erreichten sie Rekordwerte von über 543 Euro/MWh. Das war vor allem auf die hohen Erdgaspreise zurückzuführen, da besonders in Italien noch ein großer Teil des Stroms mit Gas erzeugt wird. Viele Länder, insbesondere in Mittel- und Westeuropa, sahen ähnliche Entwicklungen. In Ländern wie Deutschland und Frankreich lagen die Großhandelspreise für Strom 2022 ebenfalls bei über 500 Euro/MWh, vor allem wegen der Energiekrise und der Abhängigkeit von Gasimporten. Seit Anfang 2023 haben sich die Preise stabilisiert, und der PUN liegt im Oktober 2024 bei etwa 113 Euro/MWh.
In Südtirol sind die Endkundenpreise für Haushalte und Unternehmen auch dank des Rahmenabkommens des Südtiroler Wirtschaftsrings mit Alperia niedriger als im Rest Italiens. Das bedeutet, dass Stromkunden hier von der Nutzung erneuerbarer Energien und stabileren Preisen profitieren.

Welche Trends sind auf dem Strommarkt in Südtirol zu beobachten, die die zukünftige Preisentwicklung beeinflussen könnten?
Ein bedeutender Trend auf dem Strommarkt ist der zunehmende Wandel von Haushalten und Unternehmen zu „Prosumern“. Diese Privatpersonen oder auch Unternehmen nutzen Photovoltaikanlagen auf ihren Dächern, um selbst Strom zu produzieren, während sie gleichzeitig weiterhin Strom aus dem Netz beziehen, wenn ihre Eigenproduktion nicht ausreicht. Als „Prosumer“ können sie überschüssigen Strom ins Netz einspeisen und so ihre Energiekosten senken. Ein wichtiger Trend ist der Aufbau von Energiegemeinschaften. In solchen Gemeinschaften schließen sich lokale Produzenten und Verbraucher zusammen, um den vor Ort erzeugten Strom effizient zu nutzen. Diese Zusammenschlüsse von Erzeugern und Verbrauchern ermöglichen es, den Strom lokal zu verteilen, was den Verbrauchern stabile und oft niedrigere Preise bietet. Zudem tragen Energiegemeinschaften dazu bei, die Abhängigkeit vom nationalen Stromnetz zu verringern und die Versorgungssicherheit zu erhöhen. Diese beiden Entwicklungen haben das Potenzial, die Strompreise langfristig zu stabilisieren und Verbraucher zu entlasten, da sie lokale und erneuerbare Energien stärker nutzen und so weniger von den volatilen globalen Energiemärkten abhängig sind.

Kann man bereits jetzt Aussagen über die zukünftige Preisentwicklung treffen?
Es gibt eine vorsichtige Stabilisierung der Strompreise seit Anfang 2023, aber Faktoren wie geopolitische Unsicherheiten und die globalen Rohstoffmärkte könnten weiterhin zu Preisschwankungen führen. Mittelfristig könnte die verstärkte Nutzung erneuerbarer Energien in Südtirol und Italien jedoch zu einer Dämpfung der Preise führen, da die Abhängigkeit von volatilen Gaspreisen sinkt. Aktuelle Marktanalysen an der Strombörse gehen davon aus, dass sich der Preis für 2025 auf einem Niveau zwischen 100 bis 125 Euro pro Megawattstunde einpendeln könnte. Diese Prognosen können sich aber sehr schnell ändern, da der Strommarkt sehr stark von geopolitischen Entwicklungen abhängig ist.

Wie können Privatpersonen und Unternehmen ihre Energiekosten optimieren?
Eine der effektivsten Maßnahmen ist die Installation von Photovoltaikanlagen. Diese ermöglichen es, einen Teil des benötigten Stroms selbst zu produzieren und damit weniger Strom aus dem Netz zu beziehen. Der Eigenverbrauch von selbst erzeugtem Solarstrom spart direkt Kosten, und überschüssiger Strom kann ins Netz eingespeist werden, was zusätzlich Einnahmen generiert. Ein weiterer wichtiger Schritt ist das Sparen von Energie. Es gibt immer Potenzial, den Energieverbrauch zu reduzieren, sei es durch effizientere Geräte, bessere Isolierung von Gebäuden oder die Optimierung von Produktionsprozessen. Jede eingesparte Kilowattstunde bedeutet direkt geringere Kosten. Die günstigste Energie ist die, die gar nicht erst verbraucht wird. Durch bewusstes Energiesparen und die Vermeidung von unnötigem Verbrauch können sowohl Haushalte als auch Unternehmen ihre Energiekosten langfristig senken.

Welche wesentlichen Änderungen bringt das neue Rahmenabkommen 2025 von Alperia mit den Wirtschaftsverbänden mit sich? Inwiefern ist es eine Lösung und Absicherung gegen Preisschwankungen am Strommarkt?
Das neue Rahmenabkommen 2025 bringt eine wichtige Veränderung mit sich: Die Energielieferung erfolgt künftig zum Börsenpreis, also direkt zum Großhandelspreis, ohne einen zusätzlichen Aufschlag. Dies bedeutet, dass der bisherige Spread – ein Aufschlag von etwa 8 Euro pro Megawattstunde im alten Rahmenabkommen – komplett entfällt. Dadurch profitieren die Kunden direkt von den Marktpreisen und sind flexibler gegenüber möglichen Preissenkungen am Markt. Allerdings wird im neuen Rahmenabkommen im Gegenzug der prozentuale Rabatt, der früher auf den Endkundenpreis gewährt wurde, wegfallen.

Werden die jährlichen Kosten im Vergleich zum vorherigen Rahmenabkommen steigen oder sinken?
Für den Durchschnittsverbraucher ändert sich insgesamt nicht viel, da die Ersparnis durch den entfallenden Spread den weggefallenen Rabatt in etwa ausgleicht. Diese Änderung sorgt vor allem dafür, dass die Kunden von Schwankungen am Markt direkt profitieren können, ohne zusätzliche Aufschläge zahlen zu müssen. Der Rahmenvertrag bleibt damit unseres Wissens nach das derzeit weitaus günstigste variable Stromangebot am italienischen Markt.

Muss man auf das Schreiben zur einseitigen Vertragsänderung reagieren? Welche Kündigungsfristen gelten und wie kann der Stromvertrag gekündigt werden?
Nein, es ist keine Reaktion von Seiten der Kunden erforderlich, alles erfolgt automatisch. Der Stromvertrag kann jederzeit ohne Ausstiegskosten oder Strafzahlungen gekündigt werden.

Michael Frei: „Jede eingesparte Kilowatt-stunde bedeutet direkt geringere Kosten.“

Interview: Bernhard Christanell

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