Sorgen wegen neuer Bahntrasse

Die Bahnlinie von Bozen nach Meran soll ausgebaut und begradigt werden. Die Idee dazu gibt es schon länger. Im Frühjahr wollte der Schienennetzbetreiber RFI plötzlich Probebohrungen vornehmen, ohne vorher das Gespräch mit den Grundeigentümern zu suchen. Die Verunsicherung ist groß ...

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Politik

Die Geschichte der Bahntrasse von Bozen nach Meran beginnt in den 1870er-Jahren – also zu einer Zeit, in der Südtirol noch Teil des Kaiserreichs Österreich-Ungarn war. Das vorrangige Ziel der damals neuen Bahnstrecke war es, auch die Kurstadt Meran an das europäische Eisenbahnnetz anzubinden.

Um Enteignungskosten zu sparen, dem damaligen Verlauf der Etsch zu folgen  – und auch um entsprechende Fördergelder aus Wien zu erhalten –, wurde die knapp über 30 Kilometer lange Strecke nicht schnurgerade durch das Etschtal gebaut, sondern weist bis heute viele enge Kurven auf.

Heute – 150 Jahre später – ist die Bahnlinie zwischen den beiden größten Städten Südtirols eine der am stärksten genutzten Teilstrecken des Südtiroler Eisenbahnnetzes. Tausende Pendler, Schüler und Studenten nutzen Tag für Tag den Zug, um in eine der beiden Städte oder eine der Gemeinden an der Strecke zu gelangen. Bekannt ist die Strecke für ihre regelmäßigen Verspätungen, die vor allem auf die Tatsache zurückzuführen sind, dass die Strecke durchwegs eingleisig ist und Züge immer wieder auf entgegenkommende Züge warten müssen. Nicht nur Touristen wundern sich immer wieder, wie es möglich sein kann, dass die Zugfahrt von Bozen nach Meran mindestens gleich lang dauert wie die Fahrt von Bozen ins fast doppelt so weit entfernte Franzensfeste.

Mobilitätsplan sieht Ausbau vor

Kein Wunder, dass der Ausbau der Bahnlinie durch das Etschtal zu den großen Prioritäten des im Jahr 2018 genehmigten Mobilitätsplans des Landes Südtirol gehört. Dort steht zu lesen: „Die Bahnlinie Bozen–Meran soll ausgebaut werden, und zwar zu einer großteils zweigleisigen S-Bahn, um eine Taktfrequenz von 15 Minuten und eine Fahrzeit von einer halben Stunde anbieten zu können.“ Ein ambitioniertes Ziel, das ohne das zweite Gleis und eine Begradigung der Strecke schwer vorstellbar ist.

Es liegt nahe, dass der Bau eines zweiten Gleises und einer zum Teil neuen Bahntrasse durch das Etschtal nicht ohne Verbrauch von landwirtschaftlich genutztem Grund möglich ist. Schon früh hat sich daher der Südtiroler Bauernbund vor allem im Bezirk Bozen mit dem Thema der neuen Bahntrasse beschäftigt.

Im Herbst 2017 tauchten in verschiedenen Südtiroler Medien Pläne über eine mögliche neue Bahnlinie auf, damals war sogar von einer Anbindung des Bozner Krankenhauses die Rede. Der Bezirksbauernrat Bozen kritisierte diese Pläne scharf: „Bauern erfahren aus den Medien, dass mitten über ihre Obstwiesen eine neue Eisenbahntrasse verlaufen soll. Mit der Tatsache, dass hier offensichtlich Pläne geschmiedet werden, ohne die betreffenden Grundeigentümer vorab zu kontaktieren, sind wir in keiner Weise einverstanden“, erklärte der damalige Bozner Bauernbund-Bezirksobmann Karl Framba in einer Aussendung.

Anfragen für Probebohrungen

In den folgenden Jahren wurde es ruhiger um die umstrittene Bahntrasse – bis im Frühjahr des laufenden Jahres mehrere Bauern aus dem Etschtal davon berichteten, dass sich Mitarbeiter des italienischen Schienennetzbetreibers RFI bei ihnen gemeldet hätten. Andreas Mayr, Bezirksleiter des Bauernbund-Bezirks Bozen, blickt zurück: „RFI hat bei mehreren Bauern angefragt, ob sie die Zustimmung für Probebohrungen auf ihren Grundstücken erteilen. Der Grund: Es gehe darum, die Machbarkeit der neuen Bahnlinie zu prüfen.“

Mit verständlichem Ärger wandten sich die Bauern an den Bauernbund, der daraufhin die RFI-Vertreter zu einer Aussprache einlud. Im Juli kam es zu diesem Treffen, an dem neben den Bauernbund-Ortsobmännern der betroffenen Gemeinden auch die – bis dahin ebenfalls nicht informierten – politischen Vertreter der Gemeinden teilnahmen.

Neue Bahnhöfe und Brücken

Mittlerweile liegen von RFI erste Vorschläge für die neue Bahntrasse vor. RFI betont dabei, dass es sich aktuell um eine technisch-wirtschaftliche Machbarkeitsstudie handelt und bei Weitem noch nicht um die endgültige Bahntrasse. Auch der zuständige Landesrat Daniel Alfreider und der Generaldirektor  der Südtiroler Transportstrukturen AG (STA), Joachim Dejaco, versuchen, die Grundeigentümer zu beruhigen.

Die ersten Ideen für die neue Bahntrasse, die aus der Studie von RFI hervorgehen, haben mittlerweile die Runde gemacht und für Aufsehen gesorgt. Diese Vorschläge sehen ein neues, zusätzliches Gleis zwischen den Bahnhöfen von Bozen-Kaiserau und Meran-Untermais vor, das vorwiegend neben dem bereits existierenden Gleis verlaufen soll.

An einigen Stellen auf der rund 24,6 Kilometer langen Strecke soll die Bahntrasse deutlich begradigt werden, um die derzeit durch enge Kurven eingeschränkte Geschwindigkeit der Züge zu erhöhen.

Besonders betroffen von dieser Begradigung wäre der Streckenabschnitt zwischen Sigmundskron und Vilpian. Ein wichtiger Punkt des Projektes beträfe auch einige der Bahnhöfe entlang der Strecke. So sollen laut RFI-Vorschlag die derzeitigen Bahnhöfe von Siebeneich, Terlan und Vilpian verlegt werden, in Sinich soll ein neuer Bahnhof entstehen.

Schließlich sehen die Vorschläge  von RFI auch den Neubau von vier Brücken vor, die künftig über die Bahntrasse hinweg führen und Bahnübergänge damit überflüssig machen sollen: Konkret geht es um die Brücke beim Bahnhof Sigmundskron, zwei Brücken bei Terlan und eine Brücke bei Vilpian. Insgesamt soll die neue, erweiterte Bahntrasse knapp 20 Meter breit sein, rund fünf Meter breiter als die bestehende Strecke.

Bauern im Etschtal besorgt wegen Großprojekt

Dass solche Ideen bei den betroffenen Grundeigentümern und Gemeindevertretern auf wenig Gegenliebe stoßen, ist nachvollziehbar.

 

 

Bernhard Christanell

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