Hoffnungsschimmer in schweren Zeiten

Beeindruckende Zahlen konnte der Bäuerliche Notstandsfonds (BNF) vergangene Woche bei seinem Jahresrückblick in Marling vorlegen. Die Spendenbereitschaft ist 2022 noch einmal deutlich ­gestiegen, und der BNF brach gleich mehrere Rekorde.

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Bäuerlicher Notstandsfonds

BNF-Obmann Sepp Dariz fand gleich zu Beginn des Jahresrückblicks in der Kellerei Meran Burggräfler starke Worte: „Tagtäglich erleben und lesen wir von schlechten Nachrichten. Heute muss ich schon einmal sagen: Es gibt in Südtirol so viele Menschen, die von Herzen Gutes tun. Hut ab vor den Südtirolerinnen und Südtirolern!“ In seinem Rückblick zeigte Dariz dann, was er mit diesen Worten meinte: 6903 Spenderinnen und Spender – so viele wie noch nie – hatten im Laufe des Jahres 2022 einmalig oder auch öfter für den BNF gespendet und damit ihren Wunsch zum Ausdruck gebracht, bäuerliche und nicht-bäuerliche Personen oder Familien in Südtirol zu unterstützen, die plötzlich und unverschuldet in Not geraten sind. Zusammengekommen sind am Ende freiwillige Spenden in der Höhe von 1.697.416 Euro, fast eine halbe Million Euro mehr als im Jahr zuvor. Der größte Teil dieser Spenden – knapp über eine Million Euro – wurde infolge von Spendenaufrufen (2022 gab es deren sieben) oder nach Angabe von anonymen Fallbeschreibungen gesammelt. Knapp ein Viertel der Spenden kam von Privatpersonen, der Rest über Firmen, Banken, Genossenschaften, bäuerliche Organisationen, als Gedächtnisspenden, über die Spendenaktion „Südtirol hilft“ oder über Vereine, Verbände und Pfarreien zusammen. Weitere Aktionen und Sammlungen wie der Verkauf der beliebten Weihnachts- und Glückwunschkarten brachten rund 78.000 Euro ein, weshalb für den BNF unterm Strich für 2022 Spendeneinnahmen von insgesamt 1.775.460 Euro zu Buche stehen. 

134 Ansuchen und Anfragen bearbeitet

Fast die gesamte Summe (1.727.744 Euro) ging in Form von Unterstützungsauszahlungen direkt, rasch und unbürokratisch an die Betroffenen. Im Jahr 2022 hat der Vorstand des Bäuerlichen Notstandsfonds in elf Sitzungen 134 Ansuchen bzw. Anfragen um Notstandshilfe behandelt. Die Anfragen aus dem bäuerlichen Umfeld und von nicht-bäuerlichen Antragstellern halten sich dabei in etwa die Waage, wobei die Anfragen von bäuerlichen Familien und Personen über die Bauernbund-Bezirksleiter an den BNF herangetragen werden und die nicht-bäuerlichen Fälle direkt an das BNF-Büro am Bozner Leegtorweg gelangen. 106 Anträge wurden genehmigt und unterstützt, lediglich fünf musste der Vorstand ablehnen, die übrigen sind in Bearbeitung.

Brandfälle vernichten oft ­Existenzen

Beim überwiegenden Teil der Anträge geht es um Todesfälle, Krankheiten oder Fälle von körperlicher Beeinträchtigung, immerhin 14-mal musste der BNF im Jahr 2022 nach einem Brandfall helfen. „Vor allem hier zeigt sich, dass Bauern ihr Hab und Gut oft mangelhaft versichern. Wenn Haus oder Hof abbrennen, hilft auch Geld nicht viel weiter, da geht es um Existenzen“, stellte Dariz fest. Es sei dringend notwendig, das Thema Versicherungen noch stärker im Bewusstsein der bäuerlichen Familien zu verankern. „Vielleicht können wir den Weg über die Bäuerinnen nehmen, denn Frauen sind bei solchen Vorsorge-Themen meistens leichter anzusprechen“, sagte Dariz mit einem Blick zur Landesbäuerin Antonia Egger. Diese nahm den Ball gleich auf und versprach später in ihren Grußworten, die Bäuerinnen dahin gehend zu sensibilisieren.

„Die reinen Zahlen zu den eingegangenen Spenden sind für sich schon beeindruckend genug, noch viel stärker ist aber die Dankbarkeit, die wir von den Betroffenen zurückbekommen. Oft geht es gar nicht einmal so sehr um die Höhe der Summe, sondern um die Gewissheit zu wissen, dass sich jemand um einen kümmert“, unterstrich Dariz. Dem BNF sei es besonders wichtig, nicht einfach nur Geld zu überweisen, sondern die betroffenen Familien auch darüber hinaus zu begleiten und zu unterstützen. 

Begleitung in Trauer- und ­Krisenzeiten

Weil sie im Alltag mit den oft dramatischen Fällen mit viel Leid konfrontiert sind, haben die Vorstandsmitglieder des Bäuerlichen Notstandsfonds im vergangenen Jahr übrigens auch selbst eine Schulung besucht. Gemeinsam mit der Referentin Gabriela Mair am Tinkhof lernten sie, wie wichtig es ist, in Krisensituationen die eigenen Kraftquellen und Potenziale zu erkennen und zu entfalten. Mair am Tinkhof ist als Trauer- und Krisenbegleiterin seit dem vergangenen Jahr auch mit betroffenen Familien in Kontakt. Knapp über 20.000 Euro kamen im vergangenen Jahr bei einer Spendensammlung für die Kriegsopfer in der Ukraine zusammen. Dieses Geld wurde an den Landesrettungsverein Weißes Kreuz übergeben, der sich darum kümmerte, dass die Summe auch sinnvoll verwendet wird. 

Große Vielfalt an ­Spendenaktionen

Wie groß die Vielfalt der Spendenaktionen ist, zeigte Dariz anhand von vielen Bildern von Spendenübergaben: Die Palette reichte von Aktionen bäuerlicher Organisationen auf Ortsebene über Firmenspenden bis hin zu Aktionen an Südtiroler Oberschulen. Ein besonderes Lob richtete Dariz an die jungen Menschen, die mit ihren Spenden ihre Solidarität zum Ausdruck brachten. Ein Beispiel dafür trug mit mehreren Liedern sogar maßgeblich zur Gestaltung des Jahresrückblickes bei: Die junge Algunder Musikerin Sibylle Siller hatte im vergangenen Advent aus Eigeninitiative ein Benefizkonzert veranstaltet, mit dem Benefizkonzert wollte sie „ein klein wenig von dem zurückgeben, was die Musik mir schenkt“. 

Weitere Hilfsprojekte mit treuen Partnern

Zusätzlich zu den Spenden betreut der Bäuerliche Notstandsfonds noch mehrere Hilfsprojekte: Über das Projekt „Zukunft schenken“ wurden 32 Schul- und Studienbeihilfen an Kinder und Jugendliche gewährt. Neun davon kamen vom Kiwanis Club Bozen, mit dem den BNF seit 2010 eine enge Zusammenarbeit verbindet. Ebenso eng und lang anhaltend ist die Zusammenarbeit mit der Firma Rubner Haus, die mit Holzblockhäusern für besondere Notsituationen Menschen die Möglichkeit gibt, bei dringend notwendigen Sanierungsarbeiten direkt am Hof zu bleiben. Bei den Förderkrediten „Ethical Banking“ der Raiffeisenkasse Bozen spielt der BNF eine Vermittlerrolle – hier geht es um die Vergabe von Krediten zu einem sehr günstigen Zinssatz. Schließlich hilft der BNF auch noch in Form von Sonderprojekten für die Berglandwirtschaft: Bei schwierigen Hofübernahmen, dringenden Sanierungen oder anderen Fällen unterstützt der BNF junge Bergbauernfamilien, sofern eine realistische und nachhaltige Zukunftsaussicht erkennbar ist. „Die Großzügigkeit der Steuerzahler, die dem BNF in der Steuererklärung fünf Promille ihrer Einkommenssteuer zukommen lassen, macht es nach wie vor möglich, dass wir die Kosten, die uns für die Verwaltung entstehen, decken können und die Spendengelder zu hundert Prozent an die Betroffenen gehen“, unterstrich Dariz. 

Rekordspende der Flugretter

Ein Höhepunkt beim Jahresrückblick war die Spendenübergabe der Südtiroler Flu­gretter, die mit dem Verkauf ihres Kalenders auch im vergangenen Jahr wieder viele Spenden für den BNF sammelten. Mit 30.000 Euro gab es einen neuen Rekord. Insgesamt haben die Flugretter seit 2007 damit 320.000 Euro für den BNF gesammelt. Bei der feierlichen Scheckübergabe waren Erich Näckler (Initiator), Ivo Bonamico und Marc Kaufmann für den Verein „Heli – ­Flugrettung Südtirol“ sowie Alexia Perathoner von Aiut Alpin Dolomites mit dabei. BNF-Obmann Dariz bedankte sich für die erfolgreiche Aktion: „Ihr Flugretter leistet im Alltag schon Herausragendes, mit dieser Kalenderaktion setzt ihr seit eineinhalb Jahrzehnten noch zusätzlich ein beeindruckendes Zeichen!“

Die Grußworte der Ehrengäste waren geprägt von Dank und Anerkennung für die Arbeit des Bäuerlichen Notstandsfonds: Soziallandesrätin Waltraud Deeg hob den großen Zusammenhalt hervor, der nicht nur die bäuerliche Welt in Südtirol präge, sondern auch durch die große Spendenbereitschaft für den BNF zum Ausdruck komme. Landwirtschafts-Landesrat Arnold Schuler unterstrich die Bedeutung des BNF für die rasche Hilfe in Notsituationen: „Die öffentliche Hand kann nicht immer überall schnell helfen, daher braucht es solche Organisationen wie den BNF!“ Landesbäuerin Antonia Egger erinnerte sich an mehrere Familien, die dank der Unterstützung des BNF heute ein gutes Leben führen und positiv in die Zukunft blicken können. Landeshauptmann Arno Kompatscher fand schließlich eindrucksvolle Worte des Dankes: „Der Wohlstand in unserem Land ist groß, die Hoffnung ist aber vielerorts der Unzufriedenheit und dem Neid gewichen. Diejenigen, denen es wirklich schlecht geht, hört man oft nicht. Der BNF ist ein Hoffnungsanker für jene Menschen, die zu schwach sind, um laut zu schreien und zu protestieren. Gerade weil der BNF nicht nur Geld vergibt, sondern die Betroffenen langfristig begleitet, ist er so wertvoll!“ 

Bernhard Christanell

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