Der Wolf befindet sich laut Erklärung längst im sogenannten „günstigen Erhaltungszustand“.

Wolf: Experten fordern Umdenken

Die sogenannte „Maienfelder Erklärung“ wurde am 26. März vorgestellt. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler wenden sich damit an Öffentlichkeit und Politik und fordern ein Umdenken in der bisherigen Wolfspolitik. Sie warnen: Auf dem Spiel steht die Artenvielfalt Europas.

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Politik Wirtschaft

Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler mit Expertise in Naturschutz, Ökologie und Landeskultur wenden sich mit der sogenannten „Maienfelder Erklärung“ an die Öffentlichkeit und an die Entscheidungsträger in Politik: Mit einer Fortsetzung der bisherigen Wolfspolitik, die auf einem überholten Sachstand und einer fehlenden Gesamtbetrachtung basiert, ist Europa dabei, seine weltweit einzigartigen, in Jahrhunderten gewachsenen Grünlandkulturlandschaften zugrunde zu richten. Das europäische Schutzgebietssystem wird großen Schaden nehmen, wenn Weidetraditionen und andere extensive Bewirtschaftungsformen wie die Bergwiesenmahd verloren gehen. Ohne eine Anpassung der Wolfspolitik ist die zunehmende Gefährdung streng geschützter Arten unausweichlich. Damit macht sich Europa schuldig an einer großflächigen Verschlechterung bedrohter Lebensräume. Aus gesamtheitlicher Betrachtung und gerade aus naturschutzfachlicher Sicht halten wir eine umgehende Absenkung des Schutzstatus für den Wolf in der Berner Konvention und in der Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie für dringend geboten“, heißt es in der Erklärung, die am 26. März in Maienfeld (Schweiz) vorgestellt wurde.
„Als Naturschützer und Ökologen aus Deutschland, Österreich und der Schweiz sind wir alarmiert. Die Ausbreitung der Wölfe führt zu zunehmenden Konflikten mit vielfältigen anderen nationalen Naturschutzzielen einschließlich nationaler und internationaler Erhaltungsziele. Diese Zielkonflikte sind aber offenbar noch zu wenig erkannt oder werden gerne kleingeredet.
Die extensiv bewirtschafteten Kulturlandschaften Europas mit ihren Wiesen und Weiden beherbergen einen gewaltigen Formen- und Artenreichtum und stellen eine weltweite Besonderheit dar. Im Berggebiet und in Hanglagen ist die Artenvielfalt noch heute sehr hoch. Die Bewirtschaftung ist dort enorm arbeitsintensiv und wenig ertragreich und deshalb schon aus ökonomischen Gründen gefährdet. Gleichzeitig ist hier zuverlässiger Herdenschutz unmöglich. Eine Auflassung solcher Landschaften kann aus naturschutzfachlicher Sicht nicht infrage kommen. Um artenreiche, weidegeprägte Landschaften zu erhalten, braucht es rasch ein regional differenziertes, aktives Wolfsmanagement. Dies dient auch der Tierart Wolf, die auf Dauer nur akzeptiert wird, wenn die Konflikte gelöst werden“, erklären die Unterzeichner.

Zahl der Wölfe nimmt rasant zu
„Vor rund zwanzig Jahren haben sich die ersten Rudel im deutschsprachigen Raum niedergelassen. Die Zahl der Wölfe nimmt rasant zu. Dabei lernen sie zunehmend, Herdenschutzmaßnahmen zu überwinden. In der Kulturgeschichte Mitteleuropas gibt es keine Tradition von passiven Herdenschutzmaßnahmen. Im Gegenteil, Raubtiere und vor allem Wölfe wurden zu allen Zeiten scharf verfolgt. Oft waren Kinder und Alte als Hirten im Einsatz. Sie hatten die Aufgabe, das Weidevieh am richtigen Ort zu halten. Die ständige Wolfsabwehr gehörte nicht zu deren Aufgaben. Die vielbeschworene ,friedliche Ko-Existenz‘ von Wolf und Weidevieh hat es nie gegeben. Der vielzitierte Spruch, ,Man müsse erst wieder lernen, mit den Wölfen zu leben‘ ist deshalb unsinnig und irreführend.
Die mitteleuropäischen Wolfsbestände sind untereinander verbunden und Teil einer eurasischen Großpopulation, die sich bis nach Russland erstreckt. Wölfe sind äußerst anpassungsfähig und besitzen eine hohe Ausbreitungspotenz, an den Lebensraum stellen sie keine spezifischen Ansprüche. Sie können sich praktisch überall niederlassen, wo genug Nahrung vorhanden ist. Fraglos sind die Kriterien für den sogenannten ,günstigen Erhaltungszustand‘ auf Populationsebene erfüllt, und die Wolfspopulation ist langfristig überlebensfähig”, erklären die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler. Sie fordern: „Europa braucht schnellstens ein räumlich differenziertes Wolfsmanagement, welches an das jeweilige gesamtökologische und gesellschaftliche Umfeld angepasst ist. Grundlage hierfür soll eine fachlich fundierte, transparent hergeleitete wildökologische Raumplanung sein“, fordern die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler.

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