Ein typisches Rendzina-Bodenprofil: flachgründig und auf karbonat- oder gipsreichem Gestein.

Der Nutzen der Bodenkartierung

Eine flächendeckende Bodenkartierung kann auch für die Landwirtschaft wichtige Informationen liefern, damit Bodenpflege, Düngung, Bewässerung und Meliorierungsarbeiten optimal angepasst werden können. Um Herausforderungen und Ziele ging es beim zweiten Südtiroler Bodensymposium im November.

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Innovationen

„Die Frage ist nicht, ob, sondern wann es eine flächendeckende Bodenkartierung für Südtirol geben wird“, eröffnete Martin Pazeller, Direktor der Abteilung Landwirtschaft, die Diskussionsrunde am Ende des zweiten Südtiroler Bodensymposiums, das im November im Rahmen der Agrialp 2023 stattfand (siehe Infokasten). Pazeller weiß, dass es Bestrebungen von Seiten der Europäischen Union gibt, Fördermittel künftig an eine Bodenkartierung zu koppeln. Unabhängig davon könnte die Bodenkartierung zu einem äußerst wichtigen Instrument für Südtirols Bäuerinnen und Bauern werden, wenn sie nützliche, zugängliche und verständliche Daten für die Bewirtschaftung ihrer Böden liefert.

Wen interessiert die ­Bodenkartierung?
Wie Referent Stefan Forstner vom Institut für Waldökologie und Boden vom Bundesforschungszentrum für Wald in Österreich beim Bodensymposium erklärte, spielt der Boden für Umweltschutz und Klima eine entscheidende Rolle, weil er ein gigantischer Kohlenstoffspeicher ist. Weiters ist die Bodenkartierung für den Zivilschutz (Gefahrenzonenplanung, Hochwasserschutz), die Landschaftsplanung, den Straßen- und Häuserbau und den Gewässerschutz von großer Bedeutung. Auf europäischer Ebene steht der Erhalt der Bodenfruchtbarkeit im Fokus, insbesondere in Bezug auf Erosion (durch Wind und Wasser), Verdichtung und Überdüngung. Für die Land- und Forstwirtschaft ist der Boden die Grundlage der Produktion und des Wirtschaftens. Der schweizerische Referent Markus Steger (Fachstelle Boden, Kanton Bern) strich heraus, dass die Landwirtschaft in die Planung der Bodenkartierung miteinbezogen werden sollte. Dies hätte klare Vorteile für die Landwirtinnen und Landwirte: Die Bodenkartierung kann wichtige Informationen liefern, damit Bodenpflege, Düngung, Bewässerung und Meliorierungsarbeiten optimal an den Boden angepasst werden. Auch die Sorten- und Unterlagenwahl im Obst- und Weinbau könnte besser auf den Boden abgestimmt werden. Im Grünland würde sie zudem wichtige Informationen über die Zusammensetzung der Pflanzengemeinschaft liefern.
Der schweizerische Bundesrat schätzt in seinem Konzept zur schweizweiten Bodenkartierung (März 2023) den Nutzen für die Landwirtschaft auf 55 bis 132 Millionen Schweizer Franken jährlich, bei geschätzten (einmaligen) Gesamtkosten der Kartierung von ca. 370 bis 475 Millionen (Wald- und Landwirtschaftsflächen). Bei aller Unsicherheit dieser Schätzung und der schlechten Vergleichbarkeit der Situation in Südtirol und der Schweiz zeigt sich doch, dass eine Bodenkartierung durchaus relevante finanzielle Vorteile für die Landwirtschaft bieten kann.

Wie wird eine klassische ­Bodenkarte erstellt?
Böden werden in Bodentypen eingeteilt, die sich hauptsächlich durch ihre Entstehungsgeschichte unterscheiden. In der Bodenkarte wird die flächige Verteilung dieser Bodentypen dargestellt. Um einen Bodentyp zu bestimmen, muss in einer Profilgrube der Boden beschrieben werden. Die Profilbeschreibung im Feld ist sehr aufwändig (Zeitbedarf: drei bis vier Profile pro Tag), weshalb zur Auswahl der Standorte zunächst unterschiedliche Karten konsultiert werden (geologische Karten, Orthofotos,
topografische Karten). Mit ihrer Hilfe werden Flächen ausgewiesen, auf denen einheitliche Bodenverhältnisse erwartet und folglich die Standorte für Bodenprofile bestimmt werden.

Das Bodenprofil als Basis der Bodenkartierung
Welche Parameter man am Profil aufnimmt, um einen Bodentyp zu bestimmen, erklärte Walter Fitz (Ingenieurbüro Boden Land Wasser, Hard, Österreich) in seinem Vortrag. Es muss zunächst eine Profilgrube in der Tiefe des Bodens ausgehoben werden (0,5–2 m). In der Profilgrube (siehe Abbildung) werden die Schichtung des Bodens und seine Gründigkeit (Bodentiefe) dokumentiert. Für jede Schicht (Horizont) werden anschließend wichtige Bodeneigenschaften bestimmt, wie die Bodenart (z. B. lehmiger Sand), die Bodenstruktur (z. B. krümelig oder verdichtet), der Steingehalt, der Karbonatgehalt, der pH-Wert, die Porosität, die Durchwurzelungstiefe, die biologische Durchmischung (Regenwurmtätigkeit), Staunässe und Grundwasserverhältnisse. Bei dieser Gelegenheit können auch Bodenproben genommen und im Labor weitere Bodenparameter bestimmt werden (z. B. Humusgehalt und Nährstoffkonzentrationen). Aufgrund der erfassten Parameter kann schließlich ein Bodentyp (z. B. Braunerde) ausgewiesen werden. Die Ergebnisse der Untersuchungen werden in der Umgebung des erhobenen Bodenprofils mit Bohrstockproben (bis zu einem Meter Tiefe) überprüft. Anschließend werden die Informationen mit anderen Kartenwerken kombiniert und eine Bodenkarte erstellt.

Welche nützlichen Informationen liefert die Bodenkarte?
Der Bodentyp hat Bedeutung für das Grünland, da ein Zusammenhang zwischen Bodentyp und Vegetation und damit Futterqualität und -quantität zu erwarten ist. Auch für den Weinbau kann der Bodentyp wichtig sein. Für den Acker- und den Obstbau hingegen ist der Bodentyp nicht immer von Bedeutung, da innerhalb eines Bodentyps Böden mit sehr unterschiedlichen agronomischen Eigenschaften vorkommen können. Beispielsweise kann die Durchwurzelbarkeit und Gründigkeit von zwei Braunerden sehr unterschiedlich sein, weshalb sie sich in der Verfügbarkeit von Nährstoffen und Wasser massiv unterscheiden. Die gute Nachricht ist, dass bei der Profilbeschreibung die agronomisch relevanten Parameter gleich miterfasst werden. Dazu zählen unter anderem die oben genannten Parameter wie Bodenart, Gründigkeit, Stauwasser- und Grundwassereinflüsse. Aus der Kombination unterschiedlicher Parameter lassen sich dann weitere relevante Parameter ableiten, wie beispielsweise die pflanzennutzbare Gründigkeit (abgeleitet aus Gründigkeit, Humus, Skelettgehalt, Bodenart, Bodenstruktur, Stauhorizonte etc.) oder die Nährstoff- und Wasserverfügbarkeit. Es ist natürlich wichtig, dass diese Parameter in einer digitalen Bodenkarte zugänglich gemacht werden – ähnlich wie dies auch in der österreichischen Bodenkarte der Fall ist (www.bodenkarte.at).

Der Maßstab ist entscheidend für den Nutzen
Der Maßstab wird in der klassischen Bodenkartierung großteils von der Dichte (Anzahl pro Fläche) der beschriebenen Bodenprofile bestimmt, dessen Erstellung zugleich den größten Kostenpunkt der Bodenkartierung darstellt (zwei Drittel der Gesamtkosten).
Ein Maßstab von 1 : 10000 wäre für die Landwirtschaft bereits sehr nützlich. Für einen solchen Maßstab wird ein Bodenprofil je 50 bis 100 Hektar Fläche erstellt. Zusätzlich müsste pro Hektar ungefähr eine Bohrstockprobe gezogen werden, deren Untersuchung
mit einem geringeren Zeitaufwand verbunden ist. Da die Bodenbedingungen aber bereits auf kleinstem Raum stark schwanken können, ist es schwer vorstellbar, dass eine solche Karte die Verhältnisse auf den einzelnen landwirtschaftlichen Parzellen genau abbildet. Deshalb gibt es vor allem in der Schweiz – aber auch in Österreich – Bestrebungen, die bewährten Elemente der klassischen Feldbodenkartierung mit neuen technischen Methoden (z. B. Einbezug von Fern-
erkundungsdaten, neue Feldmethoden) und neuen statistisch-mathematischen Methoden (maschinelles Lernen) zu kombinieren. Damit soll eine punktgenaue Bodenkarte als Basis für die Präzisionslandwirtschaft geschaffen werden. Es wundert daher nicht, dass der Bundesrat der Schweiz beschlossen hat, eine neue Bodenkartierung zu erstellen und diese unter das Motto „Vom Bohrstock ins Cockpit“ zu stellen.
Wegen der hohen Kosten ist es unwahrscheinlich, dass es für Südtirol in absehbarer Zeit eine parzellenscharfe oder noch detailliertere Bodenkarte geben wird, welche Präzisionslandwirtschaft ermöglicht. Selbst die in der Schweiz üblichen Karten im Maßstab 1 : 5000 reichen alleine nicht aus, um für Präzisionslandwirtschaft eingesetzt zu werden. Zudem sind bereits weniger detaillierte Karten z. B. im Maßstab 1 : 10000, aufgrund der hohen Kosten und anderer Herausforderungen (z. B. Ausbildung qualifizierter Bodenkartierer und -kartiererinnen), zeitnah (z. B. in fünf Jahren) nur unter Einbindung der Landwirtinnen und Landwirte auf einer begrenzten landwirtschaftlichen Fläche Südtirols realisierbar. Beim zweiten Südtiroler Bodensymposium erklärte der Referent Giacomo Sartori, ein freiberuflich arbeitender Agronom aus dem Trentino, dass selbst eine Bodenkarte mit relativ kleinem Maßstab (1 : 10000 bzw. 1 : 25000) einen bedeutenden Beitrag für die Landwirtschaft leisten könnte, nicht nur weil sie die Basis für eine detailliertere Bodenkarte im Sinne der Präzisionslandwirtschaft liefern würde. Sie stellt außerdem wichtige agronomische Informationen für Landwirte, Beratung und Forschung bereit, weil Vergleiche zwischen unterschiedlichen Bodenbedingungen möglich würden. Es wäre auch durchaus sinnvoll, weniger intensiv genutzte Flächen (z. B. Wälder oder Flächen im alpinen Bereich) in einem kleineren Maßstab zu kartieren als Flächen, die für die Nutzung von größerer Bedeutung sind.

Es ist Zeit für eine B­odenkartierung in Südtirol
Es ist auch für Südtirol an der Zeit, unser Wissen zum Thema Boden zu vertiefen. Ein Vergleich unseres Standes mit jenem in den Nachbarländern zeigt, dass beispielsweise Österreich bereits in den 1950er-Jahren mit einer flächendeckenden Bodenkartierung begonnen hat. Auch in der Schweiz war in den Jahren zwischen 1953 und 1996 ein bundesweiter Bodenkartierdienst im Einsatz, der später von den Kantonen abgelöst wurde. In der Nachbarprovinz Trentino wurden bereits verschiedene Bodenkarten erstellt. In Südtirol könnte man deshalb den Vorteil nutzen, dass man von den Erfahrungen der Nachbarprovinz und der Nachbarländer profitieren kann, um auch für unser Land eine leicht zugängliche, für alle verständliche und vor allem flächendeckende Bodenkartierung zu gestalten.

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